Zur Zeit des Nationalsozialismus vertrauten jüdische Eltern, die sich selbst nicht retten konnten, ihre Kinder fremden Menschen an, um sie zu retten.
In aller Tragik zeigt sich hier die wahre Liebe, die nicht besitzen, sondern erhalten und schützen will.
Dies sei vorab gesagt, um die tatsächliche Natur der Liebe an einem besonders eindrucksvollen Beispiel zu verdeutlichen.
“Tatsächliche Natur” schreibe ich, weil das Wort “Liebe” in allen möglichen Kontexten gebraucht wird, die mit der Natur der Liebe wenig oder nichts zu tun haben.
Liebe will schützen
- an diesen Weihnachtstagen verbringen anders als sonst viele Menschen die Zeit nicht im Kreis von Familie, Freunden oder Bekannten.
- auch beim Online-Dating wurden viele Treffen aufgeschoben, die ansonsten noch vor Weihnachten stattgefunden hätten.
Wir können warten
Manche erleben Einsamkeit, andere betrachten es gar als Sakrileg, als unerträglich, als unmenschlich, von direkten Begegnungen Abstand zu nehmen.
Tatsächlich aber liegt die Fähigkeit zum Warten ebenso in der menschlichen Natur.
Die Fähigkeit zum Warten verhilft uns, Zeiten der Knappheit zu überbrücken, in denen wegfällt, was sonst üblich ist.
Für viele Dinge haben wir in der Konsumgesellschaft, die uns umgibt, allerdings die Fähigkeit zum Warten verlernt. Aber sie ist nicht wirklich verloren, wir können sie reaktivieren.
Dies gelingt uns dann, wenn wir eine Grundhaltung der Gelassenheit einnehmen, anstatt aus jedem Verzicht eine Katastrophe und aus jedem Moment des Alleinseins eine Ewigkeit zu machen.
Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Vergangenheit kann bereichern
Wir alle leben in der Vergangenheit, in der Gegenwart und in der Zukunft. Fällt in der Gegenwart etwas weg, können wir noch immer auf die Vergangenheit und auf die Zukunft zurückgreifen.
Viele wissen, wie die Erinnerung an geliebte Menschen, die wir verloren, direkt nach dem Verlust schmerzt.
Mit der Zeit aber tritt der Schmerz zurück und die Erinnerungen werden eine Freude, auch wenn sicherlich eine gewisse Wehmut immer verbleibt.
Wie sehr wir uns an Erinnerungen freuen können oder unter ihnen leiden, hängt auch mit unserer Grundhaltung zusammen:
- fixieren wir uns auf den Verlust und lassen keine anderen Gedanken zu, werden wir verbittert.
akzeptieren wir jedoch den Lauf der Dinge und können das annehmen, was wir nicht ändern können, entfalten Erinnerungen ihr positives Potenzial.
Dies gilt auch für ein Weihnachten, was wir womöglich diesmal allein, aber früher mit Angehörigen oder Freunden verbrachten. +
Wir mögen allein sein und können doch in Erinnerung zusammen sein.
Zukunft kann Barrieren überwinden
Doch wir haben nicht nur die Vergangenheit, sondern ebenso die Zukunft. Gäbe es den Zukunftsbezug nicht, würden wir Menschen vieles nicht durchhalten, was uns der Zukunftsbezug erlaubt zu bewältigen.
Denken wir – um nur ein Beispiel zu nennen – an die unzähligen Menschen, die seit ewigen Zeiten ihre Heimat unter oft schwersten Bedingungen verlassen, um eine Zukunft zu finden.
An diesem Tag ist dies noch einmal besonders präsent:
- die Anhänger der christlichen Religion – auch viele Gleichklang-Mitglieder unter ihnen – feiern weltweit die Geburt ihres Stifters Jesus, der nach dem Mythos im Matthäus-Evangelium mit seinen Eltern als Kleinstkind vor Verfolgung in ein fremdes Land, Ägypten, floh.
- das Christentum zählt zusammen mit dem Judentum und dem Islam zu den abrahamitischen Religionen. Über Abraham heißt es in Genesis 12,10: “Es gab eine Hungersnot im Land – deshalb zog Abraham nach Ägypten, um dort als Fremder zu sein, da die Hungersnot schwer auf dem Land lastete.”
Es ist nicht die Gegenwart, sondern die Zukunft, die Menschen erlaubt, dies zu bewerkstelligen, anstatt aufzugeben und zu verzweifeln.
Statt zu fliehen, heißt es jetzt für viele Menschen in Europa, zu Hause zu bleiben.
Machen wir uns klar, wie viel einfacher dies ist, als raus zu müssen, ohne Bleibe, ohne festes Bett, ohne sichere Nahrung, durch Hitze oder Kälte, Sturm, Regen oder Schnee.
Welcher Tag wäre geeigneter, sich dies klarzumachen, als ein Tag, wo Gründungsvätern gedacht wird, die jedenfalls nach der Legende vor allem eines waren: Flüchtlinge.
Sozialer Vergleich richtig gemacht
Soziale Vergleichsprozesse sind wichtig und prägen unser menschliches Dasein:
- vergleichen wir uns mit denen, die in echter Not sind, mag sich ein guter Anteil unserer scheinbaren Not relativieren. Dadurch kann Mitgefühl mit denjenigen entstehen, denen es bei weitem schlechter geht als uns. Daraus wiederum können wir die Kraft schöpfen, uns einzusetzen, anstatt um uns selbst zu kreisen und so können wir schlussendlich Sinn in unser eigenes Leben bringen.
Die Natur unseres Gehirns hat es eingerichtet, dass ein Leben mit Sinn gleichzeitig ein glückliches Leben ist. Die Natur hat es ebenfalls so eingerichtet, dass wir uns oft gemeinsam besser einsetzen können als allein und dass wir gemeinsam – auf längere Zeit und im Durchschnitt betrachtet – ebenfalls meistens glücklicher sind als allein.
Dementsprechend lautet die Grundaussage auf unserer Startseite:
- “In einer Welt, in der vieles falsch läuft, solltest Du nicht allein sein, sondern sie gemeinsam verbessern“.
Bescheidener werden
Unsere Natur verlangt keine Großgruppen, um glücklich zu sein. Auch rasante Feiern, Clubs, die Spaßgesellschaft sind weder für Gemeinsamkeit noch für menschliches Glück notwendig.
Ebenso können wir übrigens auf den Festtagsbraten aus Fleisch getrost verzichten – zumal soeben eine Studie im wissenschaftlichen Fachjournal Nature Communications folgendes Ergebnis erbracht hat:
- pflanzliche Kost ist ungefähr 332 mal weniger klimabelastend als Rindfleisch oder Lammfleisch, 150 mal weniger belastend als Hühner- oder anderes Geflügelfleisch, 85 mal weniger klimabelastend als Schweinefleisch und 12 mal weniger klimabelastend als Milch oder Milchprodukte. Dabei zeigte sich, dass die Nutzung von Bio-Fleisch oder Bio-Milch keine relevante Verbesserung für das Klima bringt. Das einzige echte Bio ist pflanzlich.
Bescheidenheit hilft uns, Ansprüche an uns selbst zu stellen, über deren Erfüllung wir zufrieden und konsistent mit uns selbst werden.
Wann leiden wir, wenn wir Weihnachten allein sind? Wir leiden dann, wenn wir den Anspruch festsetzen, dass wir Weihnachten nicht allein sein dürfen.
In Wirklichkeit können wir auch allein glücklich sein, wenn wir uns bewusst dafür entscheiden, oder wenn wir durch Umstände dazu gezwungen sind und diese Umstände annehmen können – zumal wir uns darauf ausrichten können, dies in der Zukunft zu ändern.
In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern, allen Interessenten und Mitgliedern von Gleichklang einen positiven und weiterführenden Verlauf dieser besonderen Weihnachtstage und dieses Überganges in ein neues Jahr.
Und was die Gemeinsamkeit betrifft:
- nutzen Sie diese Zeit, um Ihren Kontakt mit anderen Gleichklang-Mitgliedern zu vertiefen, wozu wir uns heute nicht mehr sofort und direkt physisch begegnen brauchen, sondern wofür wir auf Online-Austausch, Telefon oder Messenger-Dienste zurückgreifen und dadurch die Basis für künftige Begegnungen schaffen können.