Wenn Distanz der Grundmodus ist
Manche Menschen fühlen sich in Beziehungen rasch eingeengt. Sie wollen Schwierigkeiten und Probleme lieber alleine als zusammen meistern und fühlen sich durch ein hohes Ausmaß an emotionaler und körperlicher Nähe eher bedrängt als verbunden.
Man spricht hier von einem vermeidenden Bindungsstil. Mein heutiger Artikel handelt von diesem vermeidenden Bindungsstil, wie man ihn erkennt und welche Auswirkungen er auf Partnersuche und Beziehung hat. Der Artikel zeigt auch auf, wie Änderungen möglich sind und auf welche Art und Weise Menschen mit vermeidendem Bindungsstil eine glückliche Beziehung finden oder herstellen können.
Außerdem wird im Artikel ein neuer psychologischer Test im Gleichklang-Testportal vorgestellt, mit dem Sie eine mögliche Tendenz zur Bindungsvermeidung bei sich selbst überprüfen können.
Der Artikel ist aber auch für Leser und Leserinnen ohne vermeidenden Bindungsstil gedacht:
- wir können jederzeit Menschen mit vermeidendem Bindungsstil begegnen und sogar in Beziehung mit ihnen gehen.
- zudem sind die dargestellten Methoden der Verbesserung der Beziehungsqualität für alle Paare gültig, also auch dann, wenn kein Beziehungs-Partner einen vermeidenden Beziehungsstil aufweist.
Menschen, die Bindung vermeiden
Menschen mit vermeidendem Bindungsstil mögen sich als Singles durchaus wohlfühlen. Sie haben nicht den Eindruck, gefühlsmäßig sehr enge Bindungen zu benötigen.
Sie stehen gerne auf eigenen Füßen, sind unabhängig und möchten auf keinen Fall in eine Abhängigkeit von einer anderen Person geraten. Sie haben sich oft ihr Leben so eingerichtet, wie es ist, und finden es eher schwierig oder anstrengend, für eine Partnerschaft grundlegende Änderungen vorzunehmen und den eigenen Alltag mit einer anderen Person zu teilen.
Menschen mit Bindungsvermeidung ziehen häufig unverbindliche erotische Kontakte einer festen Beziehung häufig vor. Sexuelle Kontakte sind daher oftmals eher kurzzeitig und wechselhaft.
der Gegenstil …
Das Gegenteil zum bindungsvermeidenden Stil ist übrigens der ängstliche Bindungsstil:
- Menschen mit ängstlichem Bindungsstil zeigen nicht wenig oder zu wenig, sondern viel oder sogar zu viel Bindungsverhalten, was als Klammern erlebt werden kann. Sie befürchten schnell, zurückgewiesen oder verlassen zu werden. Sie können entsprechend schwer mit Distanz umgehen und werden rasch beunruhigt, wenn es zu einer temporären, situationalen oder personalen Distanz kommt. Entsprechend entwickeln sie Ängste und können sich auch abhängig von Beziehungen erleben.
Über diesen ängstlichen Bindungs-Typ werde meinen Blog-Artikel in der nächsten Woche schreiben.
Nun aber zurück zur Bindungsvermeidung:
Sind Sie selbst ein bindungsvermeidender Typ?
In wenigen Minuten können Sie durch unseren neuen Test im Gleichklang-Testportal erhalten: ⇒ Hier zum Test “Bin ich bindungsvermeidend?”
Der Test erfasst die Einfachheit oder die Schwierigkeit, mit der Sie mit einem Menschen in Bindung und Beziehung treten können. Für Menschen mit Tendenzen zur Bindungsvermeidung werden in der Auswertung Hinweise gegeben, wie Sie Ihre Bindungsfähigkeit verbessern können, die Sie aber auch in diesem Artikel finden.
Der Test beruht auf dem ECR-R-Fragebogen von Fraley, Waller, & Brennan (2000). Der Fragebogen ist wissenschaftlich sehr gut untersucht und darf frei verwendet werden.
Für diesen Test wurde nur der Teil des ECR-R Fragebogens übersetzt übernommen, der Bindungsvermeidung erfasst. Der Test kann von Menschen mit oder ohne Beziehung ausgefüllt werden: Wenn Sie Single sind, beantworten Sie die Fragen bitte so, wie Sie sich selbst einschätzen, falls Sie einen Beziehungspartner hätten. Wenn Sie in einer Beziehung sind, bedenken Sie bitte, dass es nicht um den Partner und auch nicht um aktuelle Situationen oder Konflikte geht, sondern um ihre eigenen allgemeinen Beziehungstendenzen.
Wenn Sie es für möglich halten, dass Sie bindungsvermeidend sind, mag Ihnen dieser Test also eine höhere Gewissheit liefern und dadurch ein besseres Verständnis der eigenen Person ermöglichen. Dies wiederum mag als Ausgangspunkt für Veränderungen ihrer Herangehensweise an Partnersuche und Beziehung genutzt werden.
Außerdem läuft derzeit eine aktuelle Gleichklang-Umfrage “Warum bin ich Single“, die 10-1 5 Minuten benötigt. Das Ausfüllen kann Anlass zu Selbstreflektion geben und die Ergebnisse werden wir ausführlich ausführlich hier im Blog darstellen: ⇒ Hier zur Umfrage “Warum bin ich Single?”
Keine Beziehung = kein Problem?
Soweit so gut, könnte man sagen, bindungsvermeidende Menschen suchen eben keine Beziehung und dabei können sie es belassen.
Die Wirklichkeit ist jedoch komplexer – denn es befinden sich auch viele bindungsvermeidende Menschen auf Partnersuche, wobei die Bindungsvermeidung vielen den Erfolg erschwert:
- obwohl Menschen mit vermeidendem Bindungsstil Bindungen vermeiden, so gelangen sie doch immer wieder in ihrem Leben an Punkte, wo sie eine Sehnsucht nach mehr Verbundenheit verspüren, wo sie den Eindruck haben, dass ihnen etwas fehlt, wo sie sich einen Partner oder eine Partnerin an ihrer Seite wünschen.
- der vermeidende Modus mag noch so dominant sein, Momente der Einsamkeit, der Sehnsucht und des Unerfüllt-Seins treten dennoch ein und begründen bei den meisten eines Tages den Wunsch, nach einer partnerschaftlichen Beziehung zu suchen.
- auch soziale Vergleichsprozesse leisten hierzu ihren Beitrag: mit zunehmenden Jahren beginnen immer mehr Menschen im eigenen Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis Partnerschaften oder gründen Familien.
Partnersuche bei Bindungsvermeidung
Früher oder später unternehmen die meisten Menschen mit Bindungsvermeidung Beziehungsversuche.
Treten Ernüchterung, Einengung und Desinteresse auf, bleiben die Beziehungen aber kurzfristig. Mit wachsendem Alter fühlen sich manche bindungsvermeidenden Menschen irgendwie falsch. Sie mögen den Eindruck haben, eine Partnerschaft müsse jetzt irgendwie sein.
Entsprechend begeben sich wachsendem Alter schließlich heute auch oft irgendwann auf die Online-Partnersuche.
Trotzdem verbleibt meistens bei ihrer Partnersuche ein gewisser Vorbehalt:
- der Gedanke an eine feste Beziehung wird als anstrengend oder als Verzicht erlebt.
der Verlust der eigenen Selbstständigkeit, Freiheit, der selbstgewählten Alltagsroutine wird noch vor dem Beziehungsbeginn bedauert.
Bindungsvermeidung bei Gleichklang-Mitgliedern
Wir kennen bei Gleichklang Fälle von Bindungsvermeidung gut und ich kenne sie auch selbst aus dem Einzel-Coaching:
- manchmal ist die Dating-Aktivität von Anfang an durch die im Hintergrund stehenden Bedenken mehr oder weniger bewusst reduziert.
- es mag eine Tendenz bestehen, alle Vorschläge mit einer negativen Brille anzuschauen, so dass weitere Kontakte gleich abgeblockt werden.
- in anderen Fällen steigen die Betreffenden quasi im letzten Moment wieder aus sich anbahnenden Beziehungen abgeblockt.
- in wiederum anderen Fällen besteht eine gewisse Erleichterung, wenn die andere Seite doch absagt oder sich zurückzieht.
- schließlich entstehen bei manchen tatsächlichen Beziehungen, an denen aber erneut das Interesse bald nachlässt.
Eine 2010 im Fachjournal Personal Relationships veröffentlichte Studie beobachtete ebenfalls, dass Singles mit bindungsvermeidendem Stil bei der Partnersuche auf Erschwernisse trafen. Hierzu wurden Single, die alle Online nach Partnerschaft suchten, längsschnittlich im Verlauf beobachtet. Es ergab sich folgendes Ergebnis:
- Singles mit bindungsvermeidendem Stil gehen durchaus flirtative Kontakte oder unverbindliche Begegnungen ein, entscheiden sich im Verlauf ihres Online-Dating aber deutlich seltener für den Beginn einer festen partnerschaftlichen Beziehung.
Was wir bei Gleichklang beobachten ist, dass trotz der Bindungsvermeidung durchaus nicht selten ein Leiden an der eigenen Partnerlosigkeit auftritt:
- warum klappt es mit der Beziehung nicht?
- wieso finde ich keine Partnerschaft?
Manche sehen die Ursache allein im Außen:
- die anderen passen nicht.
- es ist der/die Richtige noch nicht vorbeigekommen.
- die Plattform ist schlecht.
Andere wiederum denken darüber nach, ob grundlegende Fehler in ihrer Person bestehen und zweifeln an sich selbst.
Bindungserfolge bei Bindungsvermeidung
Keineswegs muss die Partnersuche bei Menschen mit Bindungsvermeidung immer negativ ausgehen:
- es gibt Menschen mit jahrelang bindungsvermeidender Tendenz, die für sich emotional den Vorteil einer Beziehung entdecken und dadurch ihr Bindungsverhalten verstärken können.
- dem erlebten Freiheitsverlust kann durch die Ausgestaltung der Beziehung entgegengewirkt werden. Längst gibt es Möglichkeiten zu weniger traditionellen Beziehungen. In Beziehungen können Freiräume vereinbart werden, die auch sehr unabhängigen Menschen Beziehung ermöglichen.
- offenere Beziehungen, auch Beziehungen mit getrennten Wohnungen oder Fernbeziehungen können der Gefahr einer als erdrückend erlebten Nähe entgegenwirken.
Die guten Nachrichten lauten:
- Nähe und Distanz sind nicht völlig festgelegte Merkmale, sondern können sich verändern. In gewissen Grenzen kann man den eigenen Stil durchaus wählen. Grundsätzlich kann der gleiche Mensch in einer Beziehung mit großer Nähe und in einer anderen Beziehung mit mehr Distanz glücklich werden. Es kommt auf die Abstimmung der Beziehungs-Partner und die Lebensgestaltung an.
- bei den meisten Menschen befindet sich das Bedürfnis nach Nähe irgendwo im Mittelfeld. So werden sowohl Nähe wie auch Eigenständigkeit möglich, können abwechseln und können miteinander ausgehandelt werden. gerade bei Menschen, bei denen die Ausprägung des Nähe-Distanz-Bedürfnisses im Mittelfeld liegt, ist besonders viel Gestaltbarkeit und Wählbarkeit möglich. Hier kommt der Charakter von Nähe und Distanz als Stil der Beziehungsgestaltung insofern besonders prägnant zum Ausdruck.
- auch Menschen mit Bindungsvermeidung können sich ihrer Beziehungswünsche bewusstwerden und können lernen, Nähe mindestens temporär als Ressource zu erleben. Sie können befriedigende Beziehungs-Gestaltungen erleben, insbesondere mit Menschen mit ebenfalls niedrigem oder auch mit mittlerem Nähebedürfnis.
- umgekehrt können auch Menschen mit hohem Nähebedürfnis lernen, Freiräume in Beziehungen zu geben und zu nehmen und dabei gegebenenfalls auftretende Verlustängste, Verlassenheitserleben oder Eifersucht hinter sich zu lassen.
Matching-Algorithmus und Bindungsvermeidung
Bei der Vermittlung berücksichtigen wir bei Gleichklang entsprechend unterschiedliche Nähebedürfnisse, wobei wir Menschen mit sehr niedrigem und sehr hohem Nähebedürfnis in einer Beziehung nicht einander vorschlagen. Sehr niedriges und sehr hohes Nähebedürfnis sind tatsächlich für eine Partnerschaft schwer kompatibel:
- je stärker sich der Beziehungs-Partner mit geringem Nähebedürfnis durchsetzt, desto mehr leidet der Beziehungspartner mit hohem Nähebedürfnis unter Zurücksetzung, Verlustangst und Unzufriedenheit.
- je stärker sich der Beziehungs-Partner mit hohem Nähebedürfnis durchsetzt, desto mehr fühlt sich der Beziehungspartner mit niedrigem Nähebedürfnis eingeengt und bedrängt.
da bei beiden Seiten die Bedürfnisse stark ausgeprägt und entgegengesetzt sind, ist eine wechselseitige Veränderung und Einstellung schwerer.
Bei wechselseitig niedrigem oder wechselseitig hohem Nähebedürfnis sind demgegenüber gute gemeinsame Beziehungsmodelle identifizierbar und lebbar.
Aber auch Menschen mit mittlerem Nähebedürfnis sind durchaus für Menschen mit niedrigem oder hohem Nähebedürfnis als Beziehungspartner geeignet, da eine wechselseitige Einstellung deutlich leichter erreicht werden kann, als wenn von Anfang an dezidierte Gegensätze vorliegen.
Die konkrete Such-Frage bei Gleichklang lautet übrigens folgendermaßen:
- Autonomie versus Symbiose: Wieviel wollen Sie in einer Beziehung gemeinsam und wieviel lieber getrennt tun?
Die Antwortmöglichkeiten sind Folgende:
- das meiste getrennt tun
- vieles getrennt tun
- manches zusammen, manches getrennt tun
- vieles zusammentun
- das meiste zusammentun
Eine Tendenz zur Bindungsvermeidung korreliert mit der Antwort “das meiste getrennt tun“, wobei dies in geringerem Maße auch für die Antwort “vieles getrennt tun” gilt.
Demgegenüber spricht die Antwort “das meiste zusammentun” für ein eher symbiotisches Beziehungs-Modell mit großer Nähe. Tendenziell gilt dies ebenfalls für die Antwort “vieles zusammentun“.
Der Gleichklang Matching-Algorithmus richtet die Vorschlagsableitung nun so aus, dass die Antwort “das meiste getrennt tun” einen Vorschlag ausschließt, wenn sie auf die gegenteilige Antwort “das meiste zusammentun” und auch “vieles zusammentun” trifft.
Umgekehrt wird entsprechend ebenfalls ein Vorschlag ausgeschlossen, wenn die Antwort “das meiste zusammentun” auf die Antwort “das meiste getrennt tun” oder “vieles getrennt tun” trifft.
Berücksichtig werden durch den Matching-Algorithmus also immer die wechselseitigen Bedürfnisse von zwei Personen. Ein Vorschlag ist nur dann möglich, wenn keine grundlegende, also stark ausgeprägte Nähe-Distanz-Disparität vorliegt.
Dies Vorgehen bei unserer Vermittlung wird auch durch wissenschaftliche Befunde gestützt, die zeigen, dass solche Paare sich häufiger trennen, die sich am Anfang ihrer Beziehung deutlich im Bedürfnis nach Autonomie versus Symbiose unterschieden.
Welcher Rat bei Bindungsvermeidung?
Jeder Rat hängt von der individuellen Situation ab.
Sie sind Single, zufrieden und glücklich und streben keine Beziehung an?
- in Ihrem Fall gibt es keinen Grund, an einer Veränderung aktuell zu arbeiten. Denn der Maßstab ist letztlich die eigene Lebenszufriedenheit, die Menschen durchaus auf unterschiedliche Art und Weise herstellen und aufrechterhalten können. Ein allgemeines, normatives Modell, was für jeden gültig wäre, gibt es nicht. Es gibt keinen Grund, dass Sie auf Partnersuche gehen müssen.
Sie merken bei sich, dass Nähe Ihnen schnell zu viel wird? Sie legen Wert auf Unabhängigkeit und eine gewisse Distanz? Andererseits verspüren Sie doch eine Sehnsucht nach Beziehung, die Sie womöglich wie einen Widerstreit erleben?
- reflektieren Sie über Ihren Wunsch nach Gemeinsamkeit und Beziehung – üben Sie, offen über Ihre Gefühle und Ihre Gedanken zu reden – hören Sie zu und verstehen Sie die Perspektive des Gegenübers – stellen Sie Momente der Vertrautheit und der Zärtlichkeit her oder stellen Sie sich diese vor, wenn es noch kein Gegenüber gibt.
- suchen Sie ein Beziehungsmodell, in welchem sich Beziehungspartner wechselseitig Freiräume geben. Sprechen Sie mit einem Beziehungspartner offen über Ihr Erleben und machen Sie deutlich, dass Ihr Bedürfnis nach Eigenständigkeit und einer gewissen Distanz keine Zurücksetzung ist und die Beziehung nicht gefährdet. Wenn Sie erst auf Partnersuche sind, achten Sie darauf, dass ein möglicher Beziehungs-Partner Ihre Situation versteht, diese teilt oder gerne bereit ist, ein gemeinsames Lebensmodell unter Berücksichtigung beider Bedürfnisse aufzubauen.
- sie können eine Beziehung weiter verbessern, indem Sie lernen, offen und in einer angstfreien Atmosphäre miteinander zu sprechen, zuzuhören, die Perspektive zu wechseln, dem Beziehungspartner auch ihr eigenes emotionales Erleben und ihre Gedanken in einer vorwurfsfreien Atmosphäre mitzuteilen und ebenso achtsam seine Gedanken und Gefühle ernstzunehmen.
- bereiten Sie sich hierauf bereits vor, wenn Sie noch partnerlos sind, oder sprechen Sie spätestens jetzt mit dem Partner darüber, wenn Sie bereits eine Beziehung haben und bisher das offene Gespräch vermieden haben.
- achten Sie darauf, neben eigenständigen Aktivitäten, die wichtig sind, auch gemeinsame Aktivitäten aufzubauen, die ebenso wichtig sind und die sie beide genießen können. Erwarten Sie keine Perfektion, sondern arbeiten Sie an der Beziehungsqualität.
Was für alle Paare gilt
Selbst wenn Nähe-Distanz-Bedürfnisse nicht entgegengesetzt sind, sind sie kaum jemals exakt gleich. Zudem schwanken Nähe- und Distanzbedürfnisse in Abhängigkeit von der Befindlichkeit und eintretenden Ereignissen. Nähe- und Distanzbedürfnisse mögen sich beim gleichen Menschen in unterschiedlichen Situationen unterscheiden:
So gibt es Menschen, die, wenn sie krank sind, sich lieber allein ins Zimmer zurückziehen, obwohl sie bei einem Trauerfall die Nähe des Partners suchen. Andere Menschen mögen gerade bei Krankheit ein hohes Bedürfnis nach Zuwendung haben, haben aber bei Trauerfällen das Bedürfnis, sich zurückzuziehen.
Oft verhalten wir uns so gegenüber anderen, wie wir es selbst wollten, dass andere sich gegenüber uns verhalten:
Nehmen wir an, jemand erlebt bei Krankheit das Bedürfnis, sich zurückzuziehen. Verhält er sich nun so auch gegenüber dem Beziehungspartner im Krankheitsfall, mag dies den Beziehungspartner enttäuschen, wenn bei ihm oder ihr Krankheit und Zuwendungs- und nicht ein Rückzugsbedürfnis aktiviert.
Umgekehrt mag sich ein Beziehungspartner, der sich gerne zurückziehen möchte, bedrängt fühlen, wenn der andere sich stattdessen aufgrund seiner eigenen Nähebedürfnisse im Krankheitsfall nunmehr verstärkt zuwendet.
Wissen aber beide voneinander, können sie dies berücksichtigen und aufeinander eingehen, ohne sich zu enttäuschen oder zu bedrängen.
Der Hauptgrund für Konflikte und Unzufriedenheit in Beziehungen bei unterschiedlichen Nähe- und Distanzbedürfnissen liegt meistens gar nicht an der Frage der Nähe oder der Distanz an sich, sondern liegt an Missverständnissen, die daraus entstehen.
So mag Rückzug als Ausdruck von Lieblosigkeit interpretiert werden. Daraus mögen Verletztheit, Ärger, Verlassensangst oder Eifersucht entstehen. Umgekehrt mag ein starkes Zuwendungsbedürfnis als Abhängigkeit, Bedrängung oder Freiheitseinschränkung bewertet werden. Auch hieraus können Unzufriedenheit und Ärger entstehen.
Oft sind solche Interpretationen falsch. Sie entstehen, weil Paare ausgerechnet das unterlassen, was für das wechselseitige Verständnis und die wechselseitige Beziehungszufriedenheit am wichtigsten ist:
- miteinander reden.
Sprechen Beziehungs-Partner offen miteinander, achten sie auf die Bedürfnisse des Beziehungspartners und bringen ebenso die eigenen Bedürfnisse zum Ausdruck, dann verstehen sie sich gegenseitig. Damit aber fällt die Basis für viele Missverständisse weg.
So lassen sich temporär, situational oder auch personal unterschiedliche Bedürfnisse nach Nähe und Distanz im Regelfall gut miteinander integrieren.
Fazit
Bei vielen Paare reden die Beziehungspartner viel zu lange viel zu wenig miteinander.
Allen aktuell Partnersuchenden und allen Gleichklang-Mitgliedern empfehle ich, von Anfang an diesen Fehler zu vermeiden, so dass Ihr Beziehungspartner und Sie sich durch das offene Gespräch wechselseitig kennen und schätzen lernen.
Mein abschließender Ratschlag an Menschen mit Bindungsvermeidung ist, gut in sich hineinzuhören, ob Sie eine Beziehung wünschen oder lieber dauerhaft Single bleiben möchten.
Nehmen Sie den Beziehungswunsch bei sich wahr, braucht ihre bisherige Bindungsvermeidung ihre Partnersuche keineswegs dauerhaft zu blockieren:
- wehren Sie sich im Interesse des längerfristigen Ziels gegen Impulse, die Partnersuche ruhen zu lassen, Kontakte aufzuschieben oder vorzeitig Kontakte abzubrechen.
- achten Sie auf sich selbst und nehmen Sie wahr, wo Sie Bedürfnisse nach Distanz und wo Sie Bedürfnisse nach Nähe verspüren.
- denken Sie über die Beziehungsform nach, in der Sie sich wohlfühlen können.
- bringen Sie Ihr Erleben und Ihre Gedanken bereits in der Kennenlernphase offen zum Ausdruck, so dass Sie diejenigen Menschen kennenlernen, mit denen Sie eine Bindung eingehen können, die sie nicht überfordert oder stresst, sondern glücklich macht.