Prekäre Finanzen – prekäre Partnersuche?
Wir erhalten gelegentlich Zuschriften von vorwiegend männlichen Mitgliedern, die berichten, dass sie bei Gleichklang wegen einer prekären finanziellen Situation meistens auf Ablehnung stoßen.
Ich möchte mich daher in diesem Artikel näher mit dem Thema Partnersuche, Geld und Einkommen auseinandersetzen:
- Welche Rolle spielen die Finanzen für Partnersuche und Beziehung?
- Welche Modelle gibt es in Beziehungen bezüglich der Finanzen?
- Wie wirken sich finanziell prekäre Situationen bei der Partnersuche aus?
- Gibt es Geschlechtsunterschiede?
- Welche Gründe werden für Ausschlüsse aufgrund des Einkommens genannt?
- Was kann Mitgliedern geraten werden, die sich in einer prekären finanziellen Situation befinden?
- Wie werden Faktoren der Finanzen bei Gleichklang im Matching-Algorithmus berücksichtigt?
- Können Empfehlungen gegeben werden, welche Rolle das Einkommen bei der Partnersuche spielen sollte?
Der folgende Artikel wird sich diesen Fragen zuwenden. Abert weil mir bewusst ist, dass nicht alle, so einen langen Artikel lesen möchten, können Sie sich ebenfalls einen Überblick verschaffen, indem Sie einfach nur diese letzten beiden Abschnitte lesen, die das neue Vorgehen bei Gleichklang und die grundsätzlichen Empfehlungen zu diesem Thema zusammenfassen.
Ebenfalls können Sie sich je nach Interesse, die folgenden Hauptabschnitte anschauen und jeweils vor und zurückklicken:
- Umfrageergebnis zu Akzeptanz bei Mittellosigkeit
- Gründe für Ablehnung von Mittellosigkeit
- Modelle des Finanzmanagement in Beziehungen
- Warum Ziele wichtiger sind als Finanzen
- Vertrauen durch radikale Ehrlichkeit
- Persönlichkeit und Bildung
- Mögliche Risiken und Nebenwirkungen
- Vermittlung bei Gleichklang
- Psychologische Empfehlungen
Laufende Umfrage
Zum Einstieg haben wir gestern eine Umfrage gestartet, die aber nur einen ersten Einblick für diesen Artikel geben sollte.
Das Thema ist wichtig. Es betrifft mehr oder weniger direkt alle Mitglieder und es wird von einigen Mitgliedern als sehr belastend erlebt.
Wir werden das Thema daher in weiteren Umfragen auf der Basis der Auswertung der freien Selbstschilderungen der aktuellen Umfrage vertiefen.
Schon jetzt sei um die rege Beteiligung an der noch kommenden, umfassenderen Umfrage gebeten.
Stimme eines Betroffenen
- “Ich darf berichten, dass ich trotz der relativ geringen Auswahl an Vorschlägen und kurzen (aktiven) Laufzeit schon 2 intensive Kontakte pflegen konnte, die nach umfangreichem Schriftwechsel jeweils zu einem erwartungsvollen Treffen geführt hat. In beiden Fällen war wirklich eine sehr hohe Übereinstimmung an Passung vorhanden, im letzten Fall sogar schon unheimlich treffend. Allerdings kam trotz dieser Übereinstimmungen und wirklich sehr schönen Treffen nicht mal ein 2. Date zustande. Man verstand sich und es gab viele Gemeinsamkeiten, Charakterzüge und Umfeld, doch letztlich scheiterte es an meiner beruflichen Situation. Ich bin zwar hoch qualifiziert, jedoch aus gesundheitlichen Gründen in Erwerbsminderrungsrente. Die gesundheitlichen Einschränkungen sind nur hinsichtlich Arbeitsmarkt relevant und würden ohne Erwähnung in der Partnerschaft nicht auffallen. Gerade habe ich Ihren Artikel “Ausstieg aus Selbstsabotage bei Partnersuche und Beziehungsgestaltung” gelesen und komme hier zu diesem Punkt:
“Eine prekäre berufliche oder finanzielle Situation mit erlebter Zurückweisung mag – gerade bei Männern – Anlass geben, allen Frauen monetäre oder statusbezogene Motive zu unterstellen und so für sich die Opferrolle zu reklamieren. Dadurch wird der selbstbewusste Umgang mit der eigenen Lebenssituation erschwert.” Auch wenn viele Frauen beteuert hatten, dass Materielle Dinge keine Rolle spielen würden, handeln sie dennoch ablehnend. Dass ich nebenbei ein Ehrenamt ausübe und auch sonst in ordentlichen Verhältnissen lebe, interessiert nicht. Auch sind die Frauen finanziell durch ein gutes Einkommen abgesichert – auch ich habe schließlich ein Einkommen und von ihnen auf der Tasche liegen kann nicht die Rede sein, nein, es ist einfach die prekäre berufliche oder finanzielle Situation. Ich kann hier leider mit bestem Willen nicht viel ändern – der Arbeitsmarkt ist versperrt, mehr als ein Ehrenamt ist nicht drin. Mir scheint daher eine weitere Suche praktisch inzwischen sinnlos. Selbst schwer-behinderte Hartz IV-Frauen mit Hauptschule sind ablehnend! Selbstbewußter Umgang hin oder her – ich bin hier in der Opferrolle.”
Wie ist die Ausgangssituation?
Auch wenn zwischen Angaben in Umfragen und dem realen Verhalten eine gewisse Diskrepanz herrschen mag, sind sie doch miteinander korreliert. Dies gilt umso mehr dann, wenn kein Druck besteht, sich in einer Umfrage sozial erwünscht zu verhalten und die Angaben in eine bestimmte Richtung zu verändern.
Wir befragten unsere Mitglieder, wie stark Einkommenfaktoren das Interesse an einem anderen Menschen als Beziehungspartner*in erniedrigen, erhöhen oder nicht beeinflussen würden.
Das sind die Ergebnisse:
Bewertung von finanzieller Mittellosigkeit
- 82 % der befragten weiblichen Mitglieder gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse an einer Beziehung vermindern (29%) oder eher vermindern (53 %) würde.
- 53 % der befragten männlichen Mitglieder gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenüber ihr Interesse an einer Beziehung vermindern (16%) oder eher vermindern (37 %) würde.
Mehrheitlich wird also Mittellosigkeit tatsächlich negativ bewertet, wobei sich ein starker Geschlechtsunterschied zeigt:
- mehr als vier von fünf Frauen bewerten Mittelosigkeit negativ, aber nur etwas mehr als jeder zweite Mann
Das erhaltene Umfrageergebnis entspricht insofern durchaus den an uns herangetragenen Erfahrungen.
Welchen Einfluss hat die eigene finanzielle Situation?
So sieht es bei den Frauen aus
- 53 % der befragten Frauen mit geringem Einkommen gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (7 %) oder eher vermindert (46 %).
- 82 % der befragten Frauen mit durchschnittlichem Einkommen gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (14 %) oder eher vermindert (68 %).
- 100 % der Frauen mit überdurchschnittlichem Einkommen geben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (50 %) oder eher vermindert (50 %).
- keine der Befragten gab übrigens an, dass Mittellosigkeit ihr Interesse erhöhen würde.
Bei unseren weiblichen Mitgliedern zeigt sich also ein starker Zusammenhang zwischen der Ablehnung von Mittellosigkeit beim Gegenüber und der eigenen finanziellen Situation:
- je besser die eigene finanzielle Situation ist, desto mehr wird Mittellosigkeit beim Gegenüber abgelehnt.
- aber selbst bei etwas mehr als der Hälfte Befragten mit geringem Einkommen wird Mittellosigkeit beim Gegenüber abgelehnt.
Daran änderte sich übrigens auch nichts, wenn ausschließlich Befragte betrachtet wurden, die selbst finanziell nach eigener Angabe mittellos sind.
So sieht es bei den Männern aus
- 46 % der befragten Männer mit geringem Einkommen gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (14 %) oder eher vermindert (32 %).
- 55 % der befragten Männer mit durchschnittlichem Einkommen gaben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (18 %) oder eher vermindert (37 %).
- 50 % der befragten Männer mit überdurchschnittlichem Einkommen geben an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers ihr Interesse vermindert (29 %) oder eher vermindert (21 %).
- nur ein einziger der befragten Männer gab an, dass Mittellosigkeit des Gegenübers sein Interesse erhöhen würde.
Bei den Männern ist die Ablehnung von Mittellosigkeit also völlig unabhängig vom eigenen Einkommen. Ungefähr die Hälfte der Befragten lehnt Mittellosigkeit ab, unabhängig davon, ob die eigene finanzielle Situation knapp, durchschnittlich oder überdurchschnittlich ist. Daran änderte sich auch nicht, wenn nur Mitglieder betrachtet wurden, die selbst finanziell mittellos sind.
Leider können wir übrigens keine Aussagen über die Einstellungen non-binärer Befragter machen. Die Stichprobengröße ist zu gering.
Zwischenresüme “Wie oft wird Mittellosigkeit abgelehnt?”
- mittellose Mitglieder haben es nach diesen Ergebnissen tatsächlich bei ihrer Partnersuche bei Gleichklang schwerer.
- insbesondere mittellose Männer haben es schwer, wobei aber auch die Suche von mittellosen Frauen im Durchschnitt erschwert ist.
- noch relativ am wenigsten stoßen mittellose Männer auf Ablehnung bei Frauen, die selbst ein geringes Einkommen haben, aber auch hier zeigen mehr als die Hälfte der Frauen eine kritische Haltung.
Allerdings gibt es auch einen Lichtblick:
- die stärkste Ablehnung (vermindert Interesse) wird von allen Gruppen eher selten gewählt.
- mehrheitlich wird die schwächere Ablehnungskategorie (eher vermindert) gewählt
Dies bedeutet, dass eine gewisse Offenheit im Sinne einer Abhängigkeit vom konkreten Einzelfall erkennbar wird.
Der zweite Lichtblick ist, dass die Ablehnung nicht universell ist und es in allen Gruppen (außer in der Gruppe der Frauen mit überdurchschnittlichen Einkommen) auch durchaus substantielle Anteile von Befragten gab, die keine Minderung des Interesses durch Mittellosigkeit schilderten.
Da es letztlich darum geht, EINEN Menschen kennenzulernen, bedeutet dies, dass mittellose Mitglieder und speziell mittellose Männer, die eine Frau suchen, im Durchschnitt mit mehr Ablehnung und entsprechend einer längeren Suchzeit rechnen müssen. Chancenlos sind sie aber nicht.
Warum mindert Mittellosigkeit das Interesse?
Hier habe ich mir einen kursorischen Überblick über die freien Selbstschilderungen der Umfrageteilnehmenden verschafft.
Eine genauere Auswertung wird noch erfolgen und auf dieser Basis wird dann weine weitere Befragung zur Einschätzung der Häufigkeit der jeweiligen Gründe, ihrer Stabilität oder Veränderbarkeit, sowie ihrer Abhängigkeit von Geschlecht, Alter, Bildungsstand etc. erfolgen.
Unternehmungen und Hobbys erschwert
Einer der häufigsten benannten Gründe ist die Sorge, dass gemeinsame Unternehmungen, Hobbys oder Reisen nicht oder nur eingeschränkt möglich wären:
- “Wir könnten bestimmte Dinge nicht miteinander tun, z.B. Fernreisen machen.”
- “Unsere Möglichkeiten etwas zu unternehmen wären stark begrenzt.”
- “Das verhindert gemeinsame Aktivitäten wie Reisen, Kultur, gut essen etc., was mir sehr wichtig ist und für mich ein wesentlicher Bestandteil einer Beziehung.”
- “Das teilen von gemeinsamen Interessen wird schwierig.”
- “Erschwert das kennenlernen, wenn kein Auto oder Geld für Zugfahrten, Hotel, Ausflüge etc. vorhanden ist”
- “Es könnte schwierig werden mit ihm eine Beziehung zu führen, wenn man aus finanziellen Gründen z.B. nicht zusammen kulturelle Veranstaltungen besuchen kann.”
- “Der mittellose Partner kann an vielen Aktivitäten schlecht teilnehmen.”
Keine Beziehung auf Augenhöhe
Ein zweiter Aspekt ist der der Augenhöhe und Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse, wobei hier sowohl die materielle Seite gemeint ist, als auch die Ableitung darüber hinausgehender Aspekte:
- “Ich möchte eine Beziehung in jeglicher Beziehung auf Augenhöhe, im Gleichklang. Somit bleibt Unabhängigkeit gewahrt.”
- “Es bestünde eine große Asymmetrie.”
- “Ungleichgewicht bringt viele Probleme mit sich.”
- “Eine Begegnung auf Augenhöhe auch in finanziellen Dingen ist mir sehr wichtig.”
- “Ich hätte das Gefühl, dass wir uns nicht auf Augenhöhe bewegen.”
- “Geld/Vermögen ist eine Form von Energie, da wünsche ich mir einen gleichwertigen Partner.”
Angst vor Ausnutzung
Ein dritter zentraler Aspekt ist die Sorge, ausgenutzt oder nur wegen des Geldes geliebt zu werden:
- “Ich hätte Sorge, nur wegen der Versorgung „gemocht“ zu werden. Dass der andere von mir abhängt. Benutzt zu werden.”
- “Es ist ein Problem, wenn ich den Eindruck bekomme, dass es ein Hauptmotiv sein könnte mit mir zusammen zu sein, um über mich “versorgt” zu sein und es eine größere Abhängigkeit gibt als ich mir wünsche.”
- “Befürchte, ausgenutzt zu werden. bzw. dass die Erwartung besteht, dass ich ihn unterhalten muss. Dazu wäre ich nicht bereit.”,
Wunsch nach Unabhängigkeit
Ein vierter Aspekt betont die Sorge vor Abhängigkeit und den Wunsch nach Unabhängigkeit:
- “Ich möchte nicht, dass mein Partner finanziell abhängig von mir werden könnte. Mir war es wichtig, berufliche Wege einzuschlagen, bei denen ich eine von meinem Partner finanziell unabhängige Person bleiben kann, da meines Erachtens finanzielle Abhängigkeiten eine Beziehung vergiften.”
- “Ich möchte nicht das Gefühl bekommen, für jemanden sorgen zu müssen. Ich sorge schon für andere.”
- “Ich hätte das Gefühl in einer neuen Partnerschaft den anderen mittragen zu müssen, das möchte ich nicht.”
- “Ich hätte das Gefühl in einer neuen Partnerschaft den anderen mittragen zu müssen, das möchte ich nicht.”,
Befürchtete Persönlichkeits- und Bildungsdefizite
Ein fünfter Aspekt bezieht sich auf vermutete oder gefürchtete Persönlichkeits- oder Bildungsdefizite
- “Mittellosigkeit könnte ein Grund für nicht ausreichende Bildung sein, finanzielle Misswirtschaft, kommt der Betroffene aus einer Familie der Mittellosigkeit, wie ist der Anspruch sich aus der Mittellosigkeit zu befreien, wie ist seine Willensstärke.”
- “Ich hatte bereits Beziehungen mit Männern, die beruflich und finanziell schlechter gestellt waren als ich. Das führte jeweils zu Auseinandersetzungen, da sich mein Partner sehr stark mit mir verglich, Neid entwickelte und sich selbst herabsetzte. Insbesondere das negative Selbstbild meines Partners für mich schwierig, eine Partnerschaft auf Augenhöhe war schier unmöglich.”
- “habe schlechte Erfahrungen mit einem mittellosen Partner gemacht. Er sah sich in der Opferrolle und verhielt sich destruktiv.”
“Mittellosigkeit bedeutet für mich auch, dass es im Leben dieses Menschen evtl. große Blockaden gibt, die dann auch in der Partnerschaft eine Rolle spielen könnte.”
“Ich würde mich für einen mittellosen Partner nicht interessieren. Für mich ist es ein Hinweis darauf, dass er vermutlich wenig ambitioniert ist, sich vermutlich wenig anstrengt und vermutlich wenig Bildung hat.” - “Mittellosigkeit stört mich weniger als eine Grundeinstellung Richtung Passivität, Resignation, Schwarzsehen, Geht-eh-alles-Nicht und ein Aufgeben, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen. Man kann auch mittellos ganz glücklich und zufrieden sein, wenn man das als aktive Entscheidung gewählt hat oder wenigstens akzeptiert, dazu steht und die Rahmenbedingungen akzeptiert. Geht einem ja in Deutschland dann auch immer noch viel aus einer Familie besser als woanders auf der Welt. Das merkt man aber am Rest vom freien Text auch schon, wg. mir bräuchte es da kein extra Kriterium…”
Multiple Ursachen
Viele Zuschriften, die ich hier nur auszugsweise zitierte, benannten mehrere Gründe. Ein Beispiel hierfür ist diese Schilderung:
- “- Bedenken, dass von mir finanzielle Unterstützung erwartet wird – Bedenken, dass die Person nur aus finanziellen Gründen eine Beziehung sucht – Bedenken, dass der Bildungsstand gering sein könnte – Bedenken, dass die Person zu viele Probleme hat, um sich für eine Beziehung zu engagieren – Bedenken, dass kein Gefühl der Gleichwertigkeit möglich ist.”
Ambivalente Offenheit
Nicht selten wird eine Ambivalenz oder Offenheit deutlich, dass womöglich doch eine Beziehung mit einem mittellosen Menschen in Frage käme:
- “Natürlich können auch rein äußere Umstände zur Mittellosigkeit führen. Ich würde das Thema der Phase der Kennenlernphase überlassen.”
- “Unsere Möglichkeiten etwas zu unternehmen wären stark begrenzt. Ich bin gerne großzügig und habe schon öfter eingeladen oder wir haben 1/3 zu 2/3 geteilt. Wenn ich das frei entscheiden kann, ist das ok. Wenn es aber notwendig ist, fühle ich mich nicht wohl damit. Bedürfnis nach Autonomie, Gleichberechtigung, Augenhöhe. – Wenn aber die Zuneigung sehr groß wäre, könnten solche theoretischen Erwägungen hinfällig sein.”
- “Ich würde mich tendenziell unter Druck fühlen, alle Kosten für meinen Partner zu übernehmen oder alternativ alle Unternehmungen zu unterlassen, die ihn finanziell überfordern. Wenn er damit einverstanden wäre, könnte ich alternativ mit ihm (bzw. ihm + meiner Tochter) bestimmte Sachen unternehmen und nur mit meiner Tochter andere Dinge, die ich für drei nicht stemmen könnte, meiner Tochter (oder mir) aber auch nicht dauerhaft und komplett vorenthalten möchte. Ob ich diesen Spagat dauerhaft aushalten würde und ob ein Mann damit leben könnte, sich finanziell von einer Frau abhängig bzw. ihr unterlegen zu fühlen, müsste die Zeit zeigen. Es würde auf jeden Fall eine zusätzliche Reibungsfläche in die Beziehung einbringen. Ich würde die Beziehung nicht per se ausschließen, aber ich wäre vorsichtig, mich zu binden. (Allerdings wäre ich das auf Grund früherer schlechter Erfahrungen mit allen potentiellen Partnern.) Die Frage wäre in diesem speziellen Fall: gibt es Streit um Geld, um Unternehmungen, habe ich das Gefühl, seinetwegen Dinge nicht tun zu können, die ich gern tun würde – wenn wir darüber reden und eine Lösung finden können, prima. Falls nicht, dann wird es keine Beziehung.”
- “Zunächst möchte ich hier vorher noch schreiben, dass der Liebe keine Grenzen gesetzt sind. So kann sie eben auch auf einen Partner treffen, der mittellos ist. Dann soll es so sein und dann ist es für mich auch okay. Ansonsten spielt für mich der Grund und die Einstellung dazu eine wichtige Rolle. Wichtig für mich ist ein Partner, der selbstbewusst ist. Und wenn es einen triftigen Grund für die Mittellosigkeit gibt, dann ist sie bei einem selbstbewussten und selbstsicheren Menschen sicher nur kurzfristig oder eine Lebenseinstellung. Beides ist für mich okay. Liegt die Mittellosigkeit an der Einstellung (Unsicherheit, mangelndes Selbstwertgefühl usw.) des Menschen und ist sie ungewollt, dann kommt der Mensch für mich als Partner nicht in Frage.”
- “Mittellos aber mit genug Selbstvertrauen für Beziehung auf Augenhöhe? Kann gut annehmen, dass ich dann halt bezahle? Dann kein Problem. Ich fürchte aber, mittellos geht oft einher mit einer leidenden Persönlichkeit, einem recht geringen Selbstwertgefühl. Ich hätte Angst von einem solchen Partner emotional ausgelaugt zu werden…”
“Zum einen Sorge, wirtschaftlich ausgenutzt zu werden. Zum anderen Unklarheit, ob Wertvorstellungen passen (Fleiß, Arbeitsethik). Beides lässt sich aber im Gespräch klären und ggf. ausräumen. Es kommt immer auf die individuelle Situation der Person an.” - “Es hängt stark vom Grund der Mittellosigkeit ab: wer bewusst dem Materialismus entsagen möchte um mit einfachsten Mitteln ein zufriedenes Leben zu führen, könnte eher potentiell interessant sein. Wer durch eine Krise in finanzielle Not geraten ist, aber ehrlich daran arbeitet wieder auf eigene Füße zu kommen, mag ebenfalls interessant sein, solange die materiellen Fragen eine neu entstehende Beziehung nicht zu sehr belasten. Eine völlig ablehnende bzw. Egal-Haltung bei finanziellen Fragen und in meinen Augen naiver Umgang mit Geld als Grund für bestehende Mittellosigkeit (oder etwa eine antriebslose Existenz auf Hartz-4-Niveau), wäre für mich ein Ausschlusskriterium für eine neue Partnerschaft, dabei für mich zu viele Differenzen in den Wertevorstellungen vorliegen würden. Insgesamt wäre ich wohl eher an einem finanziell unabhängigen Partner mit ähnlichem Einkommensniveau interessiert.”
- “Diese Fragen sind sehr allgemein und schlecht pauschal zu beantworten. Ich würde einen mittellosen und Hartz 4 etc. Partner durchaus akzeptieren, wenn andere Parameter dafür stimmen. Aber ich finde es natürlich auch ansprechend, wenn jemand besser verdient als ich. Aber auch nur wenn es nicht gegen andere Überzeugungen von mir widerspricht. Der Charakter ist wichtiger. Allerdings findet man selten unter Langzeitarbeitslosen und Hartz 4 Empfängern, Leute die trotzdem positiv und konstruktiv an die Dinge gehen. Letztens schrieb mir ein Obdachloser. Was mich nicht gestört hat. Es kommt mir eher darauf an wie derjenige damit umgeht. Warum es so ist und was er in Zukunft vorhat. Übernimmt er Verantwortung für sein Leben oder nicht.”
- “Wir könnten bestimmte Dinge nicht miteinander tun, z.B. Fernreisen machen. Falls es aber sonst eine große Übereinstimmung der Interessen gibt und eine Anziehung da ist, wäre es für mich kein Hindernis.”
Keine Vorbehalte
Schließlich gibt es auch Zuschriften, die Mittellosigkeit an sich eher als ein Detail sehen oder einen positiven Blick auf Veränderungsmöglichkeiten werfen:
- “Die einzigen Gründe die für mich als Ausschlusskriterium infrage kämen, wäre wenn die Person aufgrund massiv unklugen Verhaltens (Kaufsucht /verschwenderisch) oder schlichtweg aus Faulheit bzw. bildungstechnischem Desinteresse in einer schlechten wirtschaftlichen Lage ist. Ich denke jeder der sich bemüht, kann es zu etwas bringen!
- “Für mich wäre nur die Vorgeschichte und die biographischen Umstände dazu ausschlaggebend. Ich kann einen armen Menschen mit der gleichen Denke lieben.”
- “Ich denke, wir leben in einer Welt, in der Mittellosigkeit einfach vorkommen kann, keiner damit zufrieden ist und sich somit Möglichkeiten ergeben, in Zukunft finanziell / materiell auch besser dazustehen. Damit ist Mittellosigkeit für mich überhaupt kein Ausschlusskriterium, sondern lediglich ein aktueller Fakt … “
- “Kein Grund kein Interesse zu haben”
- “Ist für mich unwesentlich!”
Diese Schilderung eines Betroffenen betont die Veränderbarkeit und relativiert den Begriff der Mittellosigkeit:
- “Erstmal möchte ich den Begriff Mittellos klären. Ich beziehe selber zurzeit Hartz IV. Fühle mich aber dennoch nicht mittellos. Mittellos ist für mich Jemand, der aus mir unerfindlichen Gründen nicht in der Lage ist, selbst die Grundsicherung in Anspruch zu nehmen. Ich kann mich natürlich auch irren, aber, auf mich wirkt es so, dass Jemand nicht für sich selber einstehen kann und sich lieber aufgibt, als für sich und seine Existenz zu kämpfen. …”
Geschlechtsrollen-Erwartungen
Zwar lehnen Frauen erheblich häufiger Mittellosigkeit bei einem Beziehungspartner ab als Männer. Aktuell ist aber nicht erkennbar, dass dies an Geschlechtsrollenerwartungen liegt, sondern offenbar an den oben genannten anderen Gründen, die insgesamt häufiger von Frauen als von Männern geäußert werden.
Nicht geäußert wurden von den Befragten geschlechtsrollentypische Erwartungen, also beispielsweise die Vorstellung, dass eben der Mann für das Einkommen in einer Partnerschaft aufkommen solle und die Frau nicht.
Allerdings bedeutet dies durchaus nicht, dass geschlechtstypisierende Einstellungen nicht doch eine implizite, latente, aber eben von den Befragten nicht genannte Rolle spielen würden.
Deshalb wurden in der Umfrage auch die Befragten gebeten, für eine Reihe von Merkmalen, wie stark, empathisch, kämpferisch etc. anzugeben, wie stark sie diese mit “Männlichkeit” und “Weiblichkeit” assoziieren.
Es zeigten sich folgende Ergebnisse:
- sowohl Männer als auch Frauen assoziierten eine Vielzahl von Merkmalen in gleichstarker und gleichgerichteter Art und Weise mit “Maskulinität” oder “Feminität”. Dies wurde zudem kaum durch Alter oder Bildungsstand tangiert.
- das Ausmaß dieser geschlechtstypisierenden Charakterisierung korrelierte aber nicht oder nicht wesentlich mit der Ablehnung von “Mittellosigkeit”.
- besonders stark geschlechtssterotypisierende Frauen lehnten “Mittellosigkeit” nicht stärker ab als Frauen, die weniger stark geschlechtssterotyp charakterisierten.
- besonders stark geschlechtssterotypisierende Männer wiesen keine tolerantere Einstellung gegenüber “Mittellosigkeit” auf als Männer, die weniger stark geschlechtssterotyp charakterisierten.
Die Gründe für Vorbehalte gegenüber Mittellosigkeit bei Beziehungspartnern liegen also offenbar eher nicht in latenten Geschlechterrollen-Stereotypien.
Zwischenresümee “Warum wird Mittellosigkeit abgelehnt?”
Es bestehen Bedenken, dass gemeinsame Unternehmungen erschwert werden. Auch besteht die Sorge, ausgenutzt und nur wegen des Geldes geliebt zu werden. Vielfach wird ein Partnerschaftsmodell mit Unabhängigkeit beider Beziehungspartner betont. Recht oft wird dem Einkommensaspekt eine zentrale Rolle bei der Frage der Augenhöhe und Symmetrie in einer Beziehung. Manche vermuten zudem Persönlichkeit- und Bildungsdefizite bei Menschen, die von Mittellosigkeit betroffen sind.
Der Ausschluss von mittellosen Beziehungspartnern ist jedoch häufig keineswegs apodiktisch:
- oft wird betont, dass es auf den Einzelfall ankomme und in Abhängigkeit von dem Grund der Mittellosigkeit oder der Passung in anderen Merkmalen eine Partnerschaft sehr wohl möglich wäre.
- andere betonen die Veränderbarkeit der Mittellosigkeit oder erachten Mittellosigkeit als überhaupt kein relevantes Merkmal für die Partnerlosigkeit.
Finanz-Management in Beziehungen
Es gibt unterschiedliche Modelle, wie Finanzen in Beziehungen verwaltet werden.
Ich zitiere einfach einmal übersetzt aus einem sehr aufschlussreichen Artikel aus dem British Journal of Sociology (2006) unter dem plastischen Titel “Intimate relationships and changing patterns of money management at the beginning of the twenty-first century“:
- das weibliche Gesamtlohnsystem, in dem Frauen das gesamte Geld verwalten außer dem persönlichen Taschengeld des Mannes.
- das männliche Gesamtlohn-/Haushaltsgeldsystem, in dem Männer entweder das gesamte Geld verwalten oder die Männer den größten Teil des Geldes verwalten, mit Ausnahme des das Haushaltsgeld der Frau.
- der gemeinsame Pool, bei dem Paare das gesamte Geld zusammenlegen, normalerweise auf einem gemeinsamen Bankkonto zusammenlegen und es gemeinsam verwalten, wobei jeder nach Bedarf Geld abhebt.
- der partielle Pool, in dem Paare einen Teil ihres Einkommens zusammenlegen, um für kollektiven Ausgaben zusammenlegen und den Rest getrennt halten, um ihn ausgeben können, ohne dies mit dem anderen Partner besprechen zu müssen.
- das System der unabhängigen Verwaltung, in dem beide Partner über ihr eigenes unabhängiges Einkommen haben, das sie völlig getrennt halten.
Die ersten beiden traditionellen Systeme spielen jedenfalls in westlichen Ländern eine immer geringere Rolle, so dass für die meisten Beziehungen der gemeinsame Pool, der partielle Pool oder die unabhängige Verwaltung zugrunde zu legen sind.
Welche Auswirkungen haben diese verschiedenen Modelle nun für eine Beziehung und welche Lösung wäre für daraus möglicherweise entstehende Probleme mit Mittellosigkeit erkennbar?
Gemeinsamer Pool
Beim gemeinsamen Pool entstehen jedenfalls auf den ersten Blick nur dann Probleme, wenn der gemeinsame Pool nicht ausreichend ist, sodass es zu einer prekären Lebenssituation käme oder auch Verluste für eine Seite mit dem Beginn der Beziehung eintreten würden.
Lösen ließe sich dies sowohl durch Verbesserung des Verdienstes eines oder beider Beziehungspartner sowie durch eine Umstrukturierung der Freizeit- und Lebensgestaltung, was mit Verlusten verbunden sein kann, aber nicht muss, wenn befriedigende Tätigkeiten gefunden werden können, die mit dem gemeinsamen Pool vereinbar sind.
Sehr vieles ist mit sehr wenig Geld möglich, sogar Reisen, wie uns einzelne Menschen immer wieder vormachen.
Voraussetzung des gemeinsamen Pools ist, dass keiner der Beziehungspartner auf unabhängigen Finanzen besteht, sondern dass die Finanzen als geteilt erlebt werden, was übrigens die erlebte Verbundenheit durchaus steigern kann.
Wichtig wäre im Fall von Mittellosigkeit, dass Befürchtungen, nur wegen des Geldes geliebt zu werden, ausgeräumt werden können vor dem Hintergrund erlebter Übereinstimmung in zentralen Werthaltungen und erlebter gemeinsamer Verbundenheit.
Dabei sollten die Finanzen nicht als überwertiger Teil der Beziehungsdynamik definiert werden, sodass sich im Alltag in der Gesamtbilanz eine Wechselseitigkeit und Symmetrie einstellen kann. So kann es – wenn das Einkommen auf aktueller Arbeitstätigkeit beruht – zu einem quasi natürlich erlebten Ausgleich durch Verantwortungsaufteilung bezüglich Alltagstätigkeiten kommen.
Gelingt dies, wird die Mittellosigkeit für die Beziehungszufriedenheit keine Rolle spielen. Denn es wird ein gemeinsames Leben mit gemeinsamen Finanzen geführt. Reicht das vorhandene Einkommen, gibt es keine Mittellosigkeit mehr.
Auch bei beidseitiger Mittellosigkeit mag sich durch den gemeinsamen Pool die Gesamtsituation verbessern, da zwei Personen in der Regel nicht doppelte Ausgaben wie eine Person haben. Zudem können gemeinsam Möglichkeiten befriedigender und gleichzeitig finanziell bescheidener Lebensgestaltung gefunden werden.
Schließlich würde sich für beide die Mittellosigkeit ändern, wenn sie sich formal nur für eine Person ändert.
Beziehungen mit gemeinsamem Pool sind möglich und können ein sehr hohes Zufriedenheitsniveau erreichen, wenn Geld nicht als Macht ausgespielt wird und der gemeinsame Weg durchs Leben klar erkennbar ist. Es gibt keinen Grund, dass dies nur für die Rollenverteilung “Mann ist Verdiener” gelten sollte.
Partieller Pool
Beim partiellen Pool kann bei Mittellosigkeit einer Seite das Problem entstehen, dass Unternehmen und Aktivitäten reduziert werden müssen, wenn auf einer gleichen Einzahlung in den partiellen Pool bestanden wird. Ebenso können günstige Aktivitäten gefunden werden.
Allerdings kann der partielle Pool auch anteilmäßig nach dem Einkommen gestaltet werden, so dass der vermögendere Teil mehr gibt bis hin zu der der Situation völliger Mittellosigkeit, wo – solange diese Situation besteht – für die gemeinsamen Kosten der Anteil des vermögenden Teiles bei 100 % liegt.
Auch hier bleibt der Unterschied zum gemeinsamen Pool erhalten, da für die eigenen Ausgaben dennoch eigene Mittel verwandt werden.
Eine flexible Verteilung der Einzahlung in den gemeinsamen Pool kann das Problem lösen, dass gemeinsame Aktivitäten durch Mittellosigkeit blockiert werden. Alle Aktivitäten bleiben grundsätzlich möglich – in Abhängigkeit von der Höhe des Pools, die sich aus den Wünschen und den Möglichkeiten ergibt.
Auch hier ist es wichtig, Befürchtungen, nur wegen des Geldes geliebt zu werden, oder auch Sorgen, ausgenutzt zu werden, gemeinsam aufzulösen vor dem Hintergrund zentraler Übereinstimmungen in Werthaltungen und erlebter Verbundenheit.
Gleiches gilt für das Gefühl, dem anderen auf der Tasche zu liegen. Auch wird es wichtig sein, die Gleichwertigkeit beider Seiten in der Beziehung zu verankern und diese nicht in monetären Einheiten zu bemessen.
Es können durchaus – auf beiden Seiten – Gefühle von Neid, Ungerechtigkeitserleben und Schuldgefühle entstehen.
Diese werden aber umso mehr abnehmen oder verebben, je stärker eine gemeinsame Wertschätzung der Beziehung und der Unternehmungen vorliegt und desto wichtiger gleichzeitig beiden Seiten die finanzielle Unabhängigkeit für den Bereich der nicht gemeinsamen Aktivitäten ist.
Auf diese Unabhängigkeit können im Übrigen tatsächlich beide Seiten Wert legen, nicht nur die wohlhabendere Seite, sondern ebenso der mittellose Part, was auch in der obigen Zuschrift des Betroffenen zum Ausdruck kommt. Bei Differenzen im Einkommen kann über diese Frage Einigkeit bestehen, was verbinden kann.
Bei einem partiellen Pool bleiben Unterschiede materieller Art zwischen den Beziehungspartnern bestehen, werden aber für die gemeinsamen Alltagsaktivitäten abgepuffert, indem entweder die Aktivitäten an den Möglichkeiten beider Seiten ausgerichtet werden oder aber sich die relativen Einzahlungen in den Pool am Einkommen orientieren.
Schwierigkeiten nehmen mit der Sicherheit der Liebe ab, die sich wiederum über die Zeit beweist. Dabei können sich auch die relativen Anteile am Pool verschieben und ebenso mag ein Übergang in einen gemeinsamen Pool erfolgen, was gerade beim Zusammenziehen oft der Fall ist.
Unabhängige Verwaltung
Auch komplett getrennte Finanzen schließen gemeinsame Aktivitäten nicht aus, die sich dann in ihrer Kostspieligkeit allerdings an den Möglichkeiten des mittellosen Parts orientieren müssen.
Punktuelle Zuwendungen sind ebenfalls mit dem Modell nicht unvereinbar, allerdings könnte dadurch tatsächlich eine Machtdynamik entstehen und Gefühle von Neid, Ausnutzung oder Ungerechtigkeit könnten zunehmen und die Beziehung beeinträchtigen.
Auch hier gilt, dass dies kein Muss ist, sondern wesentlich davon abhängt, wie beide Beziehungspartner die Situation bewerten:
- treffen zwei Menschen aufeinander, die beide – trotz ihrer unterschiedlichem Voraussetzungen – Wert auf Unabhängigkeit legen, können sich auch bei finanzieller Unausgeglichenheit stabile Beziehungen entwickeln.
Gemeinsame versus eigenständige Wege
Grundsätzlich zeigen Studien eine im Durchschnitt höhere Beziehungszufriedenheit bei Paaren mit gemeinsamen Einkommenspool, was gerade auch für Paare mit eher geringem Einkommen gilt. Die höhere Zufriedenheit bei geteiltem Einkommen lässt sich aber auch auf allen anderen sozioökonomischen Stufen feststellen.
So zeigt eine Studie im Sociological Review unter dem Titel “Money, Power and Spending Decisions in Intimate Relationships“, dass beide Geschlechter eine höhere Beziehungs- und Lebenszufriedenheit in Partnerschaften mit geteiltem Pool im Vergleich zu Partnerschaften mit partiellem Pool aufweisen.
Allerdings ist hier natürlich auch von individuellen Unterschieden auszugehen, so dass keine allgemeine Aussage getroffen werden kann.
Sicherlich schwankt das Ausmaß, in dem Menschen sich eine vor allem auf Gemeinsamkeit oder vor allem auf Eigenständigkeit beruhende Beziehung wünschen und dies wird sich in einer differentiellen Präferierung verschiedener Modelle des Finanz-Managements zeigen:
- je stärker der Wunsch nach Symbiose und Gemeinsamkeit ist, desto stärker werden die Betreffenden ein Modell des gemeinsamen Pools bevorzugen.
- je stärker der Wunsch nach Eigenständigkeit ist, desto stärker werden andere Modelle vom partiellen Pool bis hin zur kompletten Unabhängigkeit der Finanzen präferiert werden.
Liegen starke Präferenzen bei Partnersuchenden vor, könnte und sollte dies in die Partnerwahlentscheidung eingehen, da Menschen mit stark symbiotischen Bedürfnissen und Menschen, bei denen die Unabhängigkeit an erster Stelle steht, typischerweise Schwierigkeiten haben werden, eine hohe Beziehungsqualität miteinander zu erreichen.
Zielbezug ist entscheidend
Der gemeinsame Zielbezug ist wesentlich:
- Wo sind die Lebensziele, möchte jeder dafür einstehen und etwas tun?
Dies ist keineswegs vorwiegend eine Frage des Geldes:
- ein gemeinsamer Zielbezug kann finanzielle Differenzen unwichtig machen.
- ein fehlender Zielbezug kann eine Beziehung auch dann beeinträchtigen, wenn die finanzielle Basis zwischen den Betreffenden stimmt.
Ich möchte dies an einem besonders deutlichen, herausfallenden Beispiel verdeutlichen:
- beide Beziehungspartner haben den Traum, als Nomaden zu leben, also durch die Welt zu ziehen. Nur ein Beziehungspartner würde allerdings über die finanzielle Basis für beide verfügen, es sich aber allein nicht zutrauen oder aus anderen Gründen allein nicht umsetzen können oder wollen. Das gemeinsame Ziel verbindet und so kann die neue Lebensform in einer Beziehung mit einem gemeinsamen oder partiellen Pool umgesetzt werden.
Es muss kein besonders herausfallendes Lebensziel sein, sondern es kann die Passung der Alltagsziele sein, die eine Beziehung auch bei Einkommensdivergenzen stabilisiert.
Ein fehlender gemeinsamer Zielbezug führt demgegenüber notwendigerweise zu Frustration und Konflikten:
- ein Beziehungspartner möchte beruflich vorankommen, der andere arbeitet nicht, möchte aber auch nichts im Haushalt tun.
- ein Beziehungspartner möchte ein aktiv-anpackendes Leben führen, der andere ist eher passiv und initiativlos
Freilich ist ein fehlender Zielbezug auch nicht besser, wenn beide Beziehungspartner über vergleichbares/ausreichendes Einkommen verfügen:
- beide leben aneinander vorbei.
Wichtiger als die Vergleichbarkeit der finanziellen Situation ist daher das Vorliegen eines beidseitig echten und geteilten Zielbezuges, der die Beziehung aktiviert.
- liegt solch ein aktivierender Zielbezug vor, wird die Beziehungsqualität nicht an der Mittellosigkeit eines der Beziehungspartners leiden.
- fehlt der Zielbezug, wird eine glückliche Beziehung auch bei günstiger beidseitiger finanzieller Situation nicht entstehen.
Bei allen finanziellen Divergenzen ist eine Voraussetzung für eine beidseitig befriedigende Beziehung auch die Einigkeit über das Finanz-Modell.
Ein Indikator für die Perspektive einer Beziehung ist dabei, inwiefern es gelingt, nicht aus einseitigem, sondern aus beidseitigem Wunsch ein passendes Modell zu finden, mit dem sich beide Beziehungspartner wohl fühlen.
Vertrauen durch radikale Ehrlichkeit
Vielfach ist es gar nicht die finanzielle Divergenz, die Menschen Angst macht vor einer Beziehung, sondern die Befürchtung, finanziell oder machtbezogen (durch Einsatz finanzieller Mittel) ausgenutzt zu werden. Solche Konstellationen sind keine Basis für eine stabile und glückliche Beziehung.
Die entscheidende Frage ist insofern weniger die finanzielle Differenz als die Frage, ob wechselseitiges Vertrauen vorliegt oder hergestellt werden kann, sodass miteinander eine Beziehung jenseits von Ausnutzung und Machtausübung beidseitig angestrebt wird.
Es gibt jahrzehntelange Beziehungen, wo beide Seiten kaum darüber Bescheid wissen, wie der andere tickt. Denken wir nur an die Extrembeispiele, wo plötzlich ein Doppelleben aufgedeckt wird und ein ganzes Lebensmodell zusammenbricht. Ehrlichkeit in Beziehungen ist also keineswegs selbstverständlich.
Letztlich profitiert niemand davon, wenn in einer Beziehung ein Versteckspiel gespielt wird.
Womöglich auch deshalb, weil in unserer Gesellschaft Ehrlichkeit nicht unbedingt belohnt wird und im Gegenteil die Vorspiegelung zum anerkannten Alltag gehört, kann eine Einstellung des generalisierten Misstrauens entstehen, die schnell auch auf die intimsten Beziehungen generalisiert.
Wäre das Vertrauen da, würden Finanzunterschiede vermutlich eine geringere Rolle spielen als dies gegenwärtig der Fall ist.
Es sind nicht vorwiegend die Finanzunterschiede, die eine Beziehung verunmöglichen oder erschweren, es ist das Misstrauen, welches je nach Status zur Angst führt, ausgenutzt zu werden oder unterdrückt zu werden.
Bester Beweis, dass Finanzunterscheide nicht schädlich sein müssen für eine Beziehung, sind die vielen langjährigen Beziehungen, die eine unerwartet im Verlauf eintretende finanzielle Veränderung oder die Umkehrung der Finanzverhältnisse gut überstehen.
Stabile Beziehungen können dies überstehen, weil das Vertrauen bereits vorhanden ist und so die Bewältigung als Gemeinsamkeit und nicht als Ausbeutung oder Unterdrückung erlebt wird.
Bei beginnenden Beziehungen ist demgegenüber noch vieles mehr im Unklaren als bei bestehenden Beziehungen. Da können schnell Ängste entstehen, dass die Liebe auf finanziellen Interessen beruht oder Finanzen zur Machtausübung genutzt werden.
Bei Gleichklang wissen wir aus anonymen Umfragen, dass die überwältigende Mehrheit der Mitglieder in erster Linie eine Liebesbeziehung sucht. Dies gilt ebenso für die besser als auch für die schlechter situierten Mitglieder.
Sicherlich gibt es – wie immer – auch andere Einzelfälle, die Grundausrichtung der Mitglieder – egal, welches Einkommen sie haben – liegt aber nicht darauf, aus finanziellen Gründen eine Beziehung zu suchen oder Finanzen zur Machtausübung über Beziehungspartner einsetzen zu wollen.
Wie kann dies aber zwischen zwei Partnersuchenden (die sich eben noch nicht lange kennen) glaubhaft vermittelt werden?
Nach meiner Einschätzung geht dies nur über die konsequente Praktizierung radikaler Ehrlichkeit:
- Beziehungssuchende sollten sich nicht als Jagd und Beute und auch nicht als Bewerber begreifen.
- Partnersuche beutet nicht, dass jemand ausgebootet werden soll und auch nicht, dass man sich gegenseitig etwas vormachen will.
- Partnerfindung bedeutet, dass Menschen zueinander finden, die sich wechselseitig so lieben, wie sie sind, einschließlich der jeweiligen Ziele zu Selbstoptimierung und Veränderung.
- in diesem Sinne liegt es in beiderseitigem Interesse, offen miteinander zu sprechen, über alles zu reden, nichts zu verbergen und dadurch gemeinsam festzustellen, dass eine Beziehung möglich und gewünscht ist oder eben nicht.
- wird dies in allen Bereichen und eben auch im Bereich der Finanzen getan, kann das Vertrauen entstehen, was notwendig ist, um eine tatsächlich vertraute Beziehung miteinander zu führen.
- zeigt sich im Verlauf der offenen Kommunikation, dass es doch nicht passt, ist dies ebenfalls ein wichtiges Ergebnis, von welchem beide Seiten profitieren.
Radikale Ehrlichkeit der beidseitigen Kommunikation macht es am ehesten möglich, zueinander zu finden, auch wenn materielle Bedingungen einander trennen oder zu trennen scheinen.
Bereits in der Phase des Kennenlernen ist es ein guter Weg, gemeinsam radikale Ehrlichkeit zu vereinbaren und zu praktizieren. Weil diese keineswegs selbstverständlich, macht es Sinn, dies Thema explizit anzusprechen und Ehrlichkeit gemeinsam einzuüben.
Persönlichkeit und Bildung
In der Umfrage wurde deutlich, dass für manche das Problem einer Beziehung mit einem mittellosen Beziehungspartner nicht in der Mittellosigkeit an sich liegt, sondern in vermuteten Persönlichkeitsproblemen oder vermuteter mangelnder Bildung.
Passivität, Resignation, mangelnde Initiative, Selbstwertprobleme werden beispielsweise als Ursachen für Mittellosigkeit vermutet.
Dies mag durchaus der Fall sein, muss es aber nicht.
Tatsächlich können sich diese Probleme auch bei Menschen zeigen, die über ein gutes Einkommen verfügen.
Ebenso gibt es eine erhebliche Anzahl arbeitsloser akademisch gebildeter Menschen, die aus ganz anderen Gründen als mangelnder Initiative mittellos geworden sind. Andere , wie der oben zitierte Schreiber, arbeiten engagiert in Ehrenämtern und erbringen damit gesellschaftlich wichtige Leistungen.
Gäbe es ein unbedingtes Grundeinkommen, würden sich sicherlich eine Reihe von Menschen gesellschaftlich produktiver engagieren, als sie es derzeit mit ihrer Lohnarbeit tun können.
Wie schnell Menschen mittellos werden können, zeigt zudem aktuell noch einmal die COVID-Krise.
Schließlich gibt es Menschen, die sich bewusst entscheiden, mit einem auf Wettbewerb und Vergeudung ökologischer Ressourcen beruhenden Wirtschaftssystem nicht mitgehen zu wollen, sondern minimalistisch leben zu wollen.
Sachlage ist, dass Wohlstand, Durchschnittseinkommen und Mittellosigkeit mit verschiedenen, aber auch den gleichen personalen Merkmalen einhergehen können.
Letztlich kommt es auf den Einzelfall an, ob die Werthaltungen und Lebensmodelle zu einander passen oder nicht. Mittellosigkeit eines Beziehungspartners schließt dies durchaus nicht aus.
Für die individuelle Zufriedenheit mit einer Beziehung kommt es zusätzlich darauf an, für wie wichtig die einzelnen Beziehungspartner das Einkommen und den Einkommensunterschied halten.
So untersuchte eine Studie, die im Fachjournal Sex Roles veröffentlich wurde (Masculinity Ideology, Income Disparity, and Romantic Relationship Quality Among Men with Higher Earning Female Partners), wie sich ein höheres Einkommen der weiblichen Partnerin auf die Beziehungszufriedenheit der männlichen Partner auswirkt.
Es zeigte sich, dass Männer, die die traditionelle Vorstellung des Mannes als Ernährer der Familie teilten, eher unzufrieden waren, während Männer mit einer nicht-traditionellen Sichtweise, die dem Einkommensunterschied wenig Bedeutung zuwiesen, eine hohe Beziehungszufriedenheit berichteten.
Risiken
Nicht unerwähnt soll bleiben, dass es natürlich auch (wie in allen Bereichen von Beziehungsfindung und Partnerschaft) Risiken gibt:
- einzelne Personen mögen im Sinne des klassischen Heiratsschwindels (nur gegebenenfalls ohne Trauschein) aus einer Beziehung ein Geschäftsmodell machen. Ganz vereinzelt haben wir davon auch bereits bei Gleichklang über die letzten 15 Jahre gehört. Wichtig ist, sich nicht die Augen verstellen zu lassen, sondern die Beziehungssituation so zu betrachten, wie sie ist. Wachsamkeit im Sinne eines realitätsgerechten Blickes ist notwendig, aber nicht im Sinne von generalisiertem Misstrauen.
- bekannt ist das Phänomen der Love-Scammer (Kontakte über das Internet, die dann Unterstützung einfordern). Hier gibt es einen einfachen und wirksamen Schutz: Jede Form von finanzieller Bitte um Unterstützung in der Phase des Kennenlernens oder gar wie im Fall der Love-Scammer in der Phase der Online- oder Telefon-Kommunikation ist unangemessen und sollte zur Beendigung des Kontaktes führen.
- in der Umfrage haben eine Reihe von Befragten negative Erfahrungen mit Beziehungen mit starken Einkommensdifferenzen berichtet. Auch wenn die Ursache hierfür womöglich nicht die Einkommensdifferenz an sich war, sondern personenbezogene Inkompatibilität, könnte eine ähnliche Konstellation tatsächlich zu einer Reaktivierung von Belastungserleben führen und damit die Beziehungs- und Lebensqualität ungünstig beeinflussen.
- manchmal suchen wir uns als Menschen mehr oder weniger bewusst oder unbewusst immer wieder ähnliche Beziehungsmuster, obwohl diese uns unglücklich machen. So mögen Menschen mit “Helfersyndrom” vorschnell Hilfe anbieten, wenn diese gar nicht erforderlich ist oder sogar nicht erwünscht ist und damit eine unausgeglichen-abhängige Beziehungsgestaltung konstallieren. Eine starke Einkommensdifferenz mag als Faktor wirken, der dies Muster aktiviert.
Selbstkenntnis und Selbstreflexion, einschließlich der Analyse vorheriger Beziehungen, können davor schützen, Opfer von Liebesbetrug zu werden oder in unausgeglichen-abhängige Beziehungsgestaltungen zu geraten oder diese zu konstallieren.
Gerierten Sie in der Vergangenheit in solchen unausgeglichen-abhängigen Beziehungsgestaltungen, können Sie für sich selbst individuelle rote Flaggen entwickeln, die sie vor Wiederholungen schützen.
Vermittlung bei Gleichklang
Wenn Sie Ihre Suchkriterien bei Gleichklang so eingeben, wie Sie Ihrer Person und Ihren Beziehungswünschen entsprechen, wird ein nicht unerheblicher Anteil an Inkompatibilitäten bereits ausgeschlossen:
- legen Sie beispielsweise großen Wert auf eine dezidierte Eigenständigkeit in der Beziehung mit separater Alltagsgestaltung, werden sie keinen Vorschlag von jemanden erhalten, der oder die großen Wert auf eine symbiotische Beziehung legt, bei der nahezu alles gemeinsam getan wird.
- suchen Sie eine monogame Zweierbeziehung mit sexueller Treue, werden Sie keinen Vorschlag von jemanden erhalten, der nach einer sexuell offenen Beziehungsgestaltung sucht.
- möchten Sie eine Partnerschaft mit einem hochsensiblen Menschen führen, werden Ihnen Menschen vorgeschlagen, die sich ebenfalls als hochsensibel erleben.
- ist für Sie ein gesunder Lebensstil ein zentrales Merkmal, werden Ihnen keine Personen vorgeschlagen, die dies für völlig unwichtig halten.
Die Liste ließen sich fortsetzen.
Dies bedeutet also, dass mithilfe der Vorschläge bereits eine erheblich höhere Grundpassung vorliegt als sie sich bei rein zufälliger Begegnung von zwei Menschen ergeben würde.
Wird Ihnen nun also ein Mensch vorgeschlagen, der wesentlich wohlhabender ist als Sie oder umgekehrt wesentlich weniger Einkommen hat, ist dennoch nach dem Matching-Algorithmus von einer erhöhten Grundpassung auszugehen.
Der Matching-Algorithmus unterstützt Sie also bereits dabei, dezidierte Inkompatibilitäten zu erkennen und die Aussichten zu verbessern, einem passenden Menschen zu begegnen.
Anders formuliert:
- wird Ihnen bei Gleichklang ein Vorschlag von einem wesentlich wohlhabenderen oder umgekehrt einem finanziell mittellosen Menschen gemacht, ist die Grundpassung zu diesem Menschen in aller Regel höher, als wenn Sie per Zufall einem wesentlich wohlhabenderen oder einem mittellosen Menschen begegnen.
Ein nicht unerheblicher Anteil der von vielen gefürchteten Unausgeglichenheit in anderen Bereichen wird dadurch stark relativiert oder fällt weg.
Die Vermittlung bei Gleichklang ist vorwiegend daraus ausgerichtet, Passungen in Werthaltungen und Beziehungsmodellen zu erkennen und für die Vermittlung zu nutzen.
Von einem Einbezug des Einkommens haben wir bisher bewusst Abstand genommen, um nicht derartige materielle Aspekte zu überschätzen und die Inklusivität der Gesellschaft nicht weiter zu reduzieren.
Im Grundsatz soll es dabei auch bleiben. Allerdings müssen wir uns auch der Sachlage stellen, dass uns mittellose Mitglieder (und zwar vorwiegend Männer) seit Langem berichten, dass sie auf viel Ablehnung stoßen und dass dies zu einer resignativen Haltung und Verlust von Selbstvertrauen führen kann.
Wir haben uns daher entschlossen, unsere Vermittlung optional für diejenigen zu ergänzen, für die es wichtig ist, Zurückweisungen aufgrund ihrer finanziellen Situation zu vermeiden und so mit mehr Selbstvertrauen und Zuversicht auf Vorschläge zugehen und eingehen zu können.
Ab dem heutigen Tag haben wir daher ein neues optionales Vermittlungskriterium eingeführt, welches auf dem bei uns auch bei vielen anderen Merkmalen umgesetzten Akzeptanz-Prinzip beruht:
- Mitglieder können ab jetzt optional angeben, dass Sie sich in einer finanziell prekären Lage befinden und nur solche Vorschläge erhalten möchten, bei denen dies akzeptiert und nicht als Ausschlusskriterium für eine Partnerschaft angesehen wird.
- umgekehrt fragen wir alle Mitglieder, ob Sie auch eine Beziehung zu einem Menschen in einer prekären Situation eingehen würden, wobei diese Frage mit “nein”, “vielleicht” oder “ja” beantwortet werden kann.
Wird diese Frage verneint, werden künftig keine Menschen mehr vorgeschlagen, die Wert darauflegen, dass ihre prekäre finanzielle Situation einer Partnerschaft nicht a priori entgegensteht.
Die neue Frage wird die Anzahl der Vorschläge für Mitglieder reduzieren, die Wert auf die Akzeptanz liegen und auch für die Mitglieder, die die Akzeptanz verneinen. Dafür wird aber die Passung in diesem Bereich steigen, der von den betreffenden Personen gemäß ihrer eigenen Angabe als wichtig erlebt wird.
Das Ziel dieses neuen Matching-Kriteriums ist es, Menschen in prekärer finanzieller Situation, die sich durch Zurückweisungen psychisch belastet oder gehemmt fühlen, gezielter zu unterstützen und so letztlich (durchaus paradox) durch einen Ausschluss den inklusiven Charakter unserer Kennenlerncommunity zu erhöhen.
Was kann empfohlen werden?
Grundsätzlich ist die Hauptempfehlung, auf eine Vereinbarkeit der Werthaltungen und Beziehungsmodelle zu achten und insbesondere auch darauf, ob gemeinsame Ziele für die Gegenwart und voraussichtlich die Zukunft gefunden werden können.
Dies sind zentrale Merkmale, die tatsächlich mit darüber entscheiden, ob zwei Menschen eine stabile und glückliche Beziehung miteinander aufbauen, gemeinsam Positives erleben und gemeinsam Negatives bewältigen können.
Widersprechen sich die Grundparameter der ethischen Ausrichtung oder der Art, wie Beziehung gelebt werden soll (monogam, polyamor, offen, platonisch, eng verbunden, unabhängig etc.), ist davon abzuraten, eine Beziehung miteinander zu beginnen.
Passen diese Parameter aber zusammen und entsteht eine emotionale Verbundenheit, brauchen Einkommensdiskrepanzen kein Hindernis für die Beziehung sein. Dies gilt umso mehr, desto besser es im Rahmen einer in allen Bereichen radikal ehrlichen Kommunikation gelingt, dies miteinander zu besprechen und ein gemeinsames Lebensmodell zu finden, mit dem sich beide Beziehungspartner wohlfühlen.
Wichtig ist zudem, sich nicht ausschließlich durch rein normative Vorstellungen, Druck durch das soziale Umfeld oder durch für den betreffenden Menschen nicht passende Befürchtungen davon abhalten lassen, sich für eine Beziehung zu entscheiden, wenn Werthaltungen, Beziehungsmodell, Lebensziele und emotionale Verbundenheit stimmen und einzig die Einkommensdivergenz als kritischer Faktor erscheinen mag.
Trotzdem kann es natürlich keine allgemeingültige Empfehlung geben.
Menschen sind unterschiedlich und es gibt beispielsweise Menschen, die aufgrund vorheriger Erfahrung für sich keine Beziehung bei starker Einkommensdiskrepanz mehr wünschen oder bei denen dies zu einem Risikofaktor für die Aktivierung eines dysfunktionalen Beziehungsmusters werden könnte.
Der Ratschlag lautet insofern nicht, die Finanzen auszublenden. Ratsam ist es aber, beim Kennenlernen eines Menschen mit Einkommensdivergenz noch einmal in sich zu gehen und zu prüfen, ob dem Einkommen in diesem Fall tatsächlich ein so hohes Gewicht zugewiesen werden muss oder nicht.
Entscheidend ist der ehrliche Austausch miteinander und die Findung eines von beiden Seiten als angemessen erachteten Umganges mit dem Einkommensunterschied.
Wenn Sie bei sich aber einen klaren Widerstand gegen eine Partnerschaft mit einem Menschen in finanziell prekärer Situation wahrnehmen, der nicht durch die Passung der Werthaltungen und Beziehungsmodelle und das Erleben von emotionaler Verbundenheit auflösbar sein wird, kann es richtig sein, von einer Beziehungsentscheidung Abstand zu nehmen.
Wissen Sie dies bereits jetzt, sollten Sie die Akzeptanz-Frage für einen Beziehungspartner in prekärer Situation verneinen. Kommt es für Sie auf den Einzelfall an, ist “vielleicht” die richtige Antwort. Spielt für Sie das Einkommen des Beziehungspartners keine Rolle, sollten Sie ein “ja” eingeben.
Sie befinden sich in einer prekären finanziellen Situation?
- verneinen Sie die Akzeptanz-Frage oder lassen Sie sie unbeantwortet, wenn sie selbstbewusst mit ihrer Situation umgehen können und daher nicht wollen, dass sich Ihre finanzielle Situation auf die Art und die Anzahl der erhaltenen Vorschläge auswirkt.
- bejahen Sie die Akzeptanz-Frage, wenn Sie belastet sind durch erlebte Zurückweisung, sich hilflos, gehemmt, hoffnungslos oder resigniert fühlen oder womöglich bereits daran denken, die Partnersuche zu beenden.
Schließlich kann und sollte die Partnersuche immer Anlass sein, über die eigene Person, die eigene Lebenssituation, die eigenen Ziele, sowie über Veränderungs- und Optimierungsmöglichkeiten nachzudenken und diese im Rahmen dessen, was möglich ist, aktiv anzugehen.
Diese Empfehlung gilt für Menschen aller Einkommensgruppen und kann dazu beitragen, dass die Zeit der Partnersuche nicht nur eine Zeit der Beziehungs-Suche, sondern auch eine Zeit der Persönlichkeitsentwicklung und eine Zeit der Selbstoptimierung wird.
Gerne können Sie mir schreiben, wenn etwas unklar ist oder Sie weitere Fragen oder Anregungen haben (➨gebauer@gleichklang.de).