Heute geht es um Leidenschaft und Kameradschaftlichkeit und was die Liebe wirklich trägt. Wer nicht viel lesen möchte, gelangt hier direkt zur Kurzzusammenfassung.
Leidenschaft oder Kameradschaft
Elaine Hatfield unterscheidet zwischen zwei großen Formen der Liebe:
- leidenschaftliche Liebe und kameradschaftliche Liebe
Leidenschaftliche Liebe ist der tiefgreifende Wunsch nach Vereinigung mit der anderen Person – wobei Leidenschaft sowohl erotisch-sexuell als auch nicht-sexuell emotional sein kann. Meistens treffen beide Komponenten aufeinander. Deshalb spricht Hatfield auch von sexueller Lust und leidenschaftlicher Liebe als Zwillingsgeschwister. Zwillingsgeschwister sind sich aber nur ähnlich, in vielen Merkmalen können Sie sich auch unterscheiden.
Kameradschaftliche Liebe ist demgegenüber eher die erlebte Fürsorge, das freundschaftliche Interesse, die praktische Gemeinsamkeit, die Ziele und die feste Bindungsentscheidung. Sie ist weniger stark mit Erregung verbunden, insgesamt ruhiger.
Leidenschaftliche Liebe geht einher mit enormer Euphorie und Hochgefühlen, wenn sie erwidert wird. Nach neuropsychologischen Befunden überlappen im Gehirn sogar die Strukturen der leidenschaftlichen Liebe mit Hirnarealen, die durch den Konsum von Kokain aktiviert werden.
Leidenschaftliche Liebe kann sogar zu einer regelrechten Besessenheit und Fixierung auf die andere Person führen. Dies kann gehen bis hin zu kompletter Irrationalität. Manchmal ist es aber auch nur eine scheinbare Irrationalität. Die leidenschaftliche Liebe kann uns von Fesseln befreien und kann uns so den Mut geben, neue Wege einzuschlagen.
Leidenschaft in Liebe und Hass
Allerdings müssen wir uns auch dem Sachverhalt stellen, dass Euphorie und Hochgefühle bei der leidenschaftlichen Liebe schnell umschlagen können in Leere, Verzweiflung, Angst und sogar in Hass:
- nämlich beispielsweise dann, wenn die leidenschaftliche Liebe nicht oder nicht mehr erwidert wird und plötzlich die ganze emotionale Erregung, die körperliche Erregung und die Gedankenfixierung ohne reale Grundlage sind. Ein völlig unerwartete Trennung durch Partner:innen lässt das Kartenhaus zusammenbrechen. Die Erregung bleibt, wird nun aber negativ und kann sich als Hass gegen die Person wenden, die uns dies antut.
Neulich hatte ich mit der Journalistin Gina Louisa Metzler, Autorin bei FOCUS-Online, ein Gespräch über Liebe und Hass, aus dem diese den sehr lesenswerten Artikel machte “Warum Liebe zu Hass werden kann – und wie Sie damit umgehen“. Aufmerksam geworden war sie auf das Thema durch meinen Blog-Artikel “Was tun, wenn Liebe zu Hass wird?“
Beide – Hass und Liebe – teilen tatsächlich miteinander die Leidenschaft:
- Die leidenschaftliche Liebe ist Leidenschaft mit einer rosaroten Brille durch Deaktivierung kritischer Denkstrukturen im Neocortex.
- Der Hass ist Leidenschaft mit einer negativen Brille, der mit gleich hoher emotionaler Erregung, körperlicher Erregung und Handlungsbereitschaft einhergeht, aber mit einer starken Aktivierung kritischer Denkstrukturen verbunden ist.
So erklärt es sich, dass manche Menschen nun ausgerechnet die Personen leidenschaftlich hassen, die sie zuvor leidenschaftlich liebten:
- Ich selbst war mehr als 10 Jahre als forensischer Gutachten im Strafverfahren tätig. Die Nähe von Hass und Liebe war bei Tötungsdelikten von Intimpartner:innen fast immer sofort spürbar. Dabei war es nahezu nie die kameradschaftliche Liebe, die in Hass umschlug, sondern fast immer die leidenschaftliche Liebe. Die Leidenschaft der Liebe brach sich in der Leidenschaft des Hasses ihre Bahn.
Selbstverständlich bleiben solche Entwicklungen die Ausnahme. Keineswegs endet Leidenschaft meistens tödlich, viel öfter verebbt sie ohne hasserfüllte Spuren. Trotzdem können wir auch aus Gewaltstraftaten viel über die Liebe und Wandlungen lernen. Ich habe von daher meine Tätigkeit als “Partnervermittler” und meine Tätigkeit als forensischer Gutachter nie als Widerspruch erlebt.
Liebe auf den ersten Blick
Eine besondere Form der leidenschaftlichen Liebe ist die Liebe auf den ersten Blick, die übrigens nach Studien meistens angetrieben wird durch eine starke körperliche Anziehung.
Diejenigen, die die Liebe auf den ersten Blick erleben, schildern eine unglaubliche Magie, eine Kraft, Begeisterung, eine magische Euphorie und den sofortigen Wunsch, mit der geliebten Person für immer zusammen sein zu wollen – um jeden Preis.
Sie schildern aber ebenso tiefgreifende Verzweiflung, depressiven Zusammenbruch, kompletten Unglauben und Hoffnungslosigkeit, wenn ihre Liebe nicht erwidert wird. Bei manchen wird dies dann wiederum zum Hass.
Struktur der leidenschaftlichen und kameradschaftlichen Liebe
Im Modell der 33 Dimensionen der Liebe nach Victor Karandashev und Stuart Clapp kennzeichnet sich die kameradschaftliche Liebe stärker durch Interesse, Verstehen, Gemeinsamen Alltag, Fürsorge und die Entscheidung für eine Beziehung. Die leidenschaftliche Liebe wird eher markiert durch Hochgefühle, eine magische Verbundenheit mit einer rein emotional erlebten (ggf. sogar illusionären) Reziprozität, Begehren. Auch Irrationalität, Besessenheit und Besitzergreifung können zur leidenschaftlichen Liebe gehören, während sie aus der kameradschaftlichen Liebe selten erwachsen können.
Die leidenschaftliche Liebe kennzeichnet sich durch eine enorme Dynamik. Sie aktiviert die Bereitschaft, sofort zu handeln, z.B. alles stehen und liegen zu lassen, Risiken auf sich zu nehmen, ggf. sogar die eigene Familie zu verlassen und der großen Liebe zu folgen.
Die kameradschaftliche Liebe ist ruhiger und integrierter. Auch sie ist mit Handlungsbereitschaften verbunden, nämlich sich der anderen Person zuzuwenden, mehr über sie zu lernen, sich zu öffnen, die Zukunft zu planen und die Entscheidung zu treffen, dauerhaft zusammen sein zu wollen. Die kameradschaftliche Liebe ist übrigens auch emotional, aber weniger agitiert. Sie erlaubt es stärker, pragmatische Überlegungen einzubeziehen, da es ihr an der Dranghaftigkeit fehlt, die die leidenschaftliche Liebe prägt.
Jüngere Menschen und kürzere Beziehungen sind oft leidenschaftlich. Im Teenageralter beginnen nahezu alle Beziehungen leidenschaftlich – wobei fast keine hält. Ältere Menschen und längerfristige Beziehungen sind eher kameradschaftlich. Leidenschaft nimmt im Verlauf von Beziehungen meistens ab, Kameradschaftlichkeit kann erhalten bleiben oder sogar zunehmen.
Für Leidenschaft genügt ein Foto
Die leidenschaftliche Liebe kann entflammt werden sogar allein durch ein Foto. Belegt haben dies die Studien von Zsok und Kolleg:innen zur Liebe auf den ersten Blick.
Für uns als Dating-Plattform mit Vermittlungs-Algorithmus bedeutet dies umgekehrt, dass wir nur begrenzt dazu beitragen können, dass zwischen unseren Mitgliedern eine leidenschaftliche Liebe entsteht:
Denn die Leidenschaft ist nicht oder nur eingeschränkt an diejenigen Passungsmerkmale gebunden, die wir bei unserem Matching zugrundelegen.
Wollten wir es anders handhaben, müssten wir es wie die Dating-Apps machen, die sich mit ihrem Algorithmus bemühen, ihren Nutzer:innen möglichst attraktive Personen vorzustellen, quasi als sofortiger Belohnungseffekt. Ermitteln tun sie dies anhand der Likes und Matches der einzelnen Personen und schlagen dann einfach die Personen besonders oft allen vor, die besonders beliebt sind.
Das “Supermodell” wird so einer riesigen Anzahl an Personen vorgeschlagen, von denen freilich kaum jemand die Aussicht hat, aus dem Vorschlag eine Beziehung zu machen. Trotzdem können leidenschaftliche Gefühle so auftreten. Deren Nicht-Erfüllung ist zwar schmerzhaft, aber hiervon lenkt sofort der nächste vergleichbare Vorschlag ab.
Kameradschaft und Leidenschaft schließen sich nicht aus
Allerdings schließen wir bei Gleichklang die leidenschaftliche Liebe keineswegs aus und in Teilaspekten können wir ihre Voraussetzungen doch verbessern:
- Es kann auch zwischen tatsächlich passenden Personen eine Leidenschaft entstehen. Entsprechend erhalten wir auch viele enthusiastische Rückmeldungen, die deutlich machen, dass hier die Leidenschaft eine große Rolle spielt.
Leidenschaft ist nichts schlechtes, sie ermöglicht eine Euphorie und einen Fluss, den Menschen nicht missen möchten.
Der einzige Nachteil ist, dass aus dieser Euphorie schnell großes Leid entstehen kann. Oft sinkt die Leidenschaft aber eher langsam ab, stabilisiert sich in der Mitte und erlaubt dann der Kameradschaftlichkeit die Erhaltung der Beziehung zu übernehmen.
Wer liebt mehr?
Lieben die kameradschaftlich Liebenden oder die leidenschaftlich Liebenden mehr?
Erstaunlicherweise geben kameradschaftlich Liebende ein höheres Ausmaß an Liebe an als leidenschaftlich Liebende, wenn sie direkt befragt werden.
Denken wir genau darüber nach, ist dies wiederum gar nicht so erstaunlich:
- Schließlich hat die leidenschaftliche Liebe einen egozentrischen Charakter. So sehr sie sich auch auf die andere Person bezieht, so sehr stehen doch die eigenen Hochgefühle im Vordergrund. Das Bild der anderen Person orientiert sich stärker an dem Bild, wie wir sie sehen möchten, als wie die andere Person tatsächlich ist. Erneut erlaube ich mir ein Extrembeispiels anzugeben, nämlich die leidenschaftliche, besessene Liebe des John Hinckley Jr, der Ronald Reagan töten wollte, um die Aufmerksamkeit von Jodie Foster zu gewinnen. Egozentrischer geht es kaum noch. John Hinckley war psychisch krank, aber die leidenschaftliche Liebe trägt durchaus auch eine Portion Wahnsinn in sich.
Bei der kameradschaftlichen Liebe ist dies anders:
- Sie ist genau nicht egozentrisch und dies weist dann auf ein besonders hohes Ausmaß an Liebe hin, wenn wir Liebe als auf das Wohlergehen der anderen Person ausgerichtet definieren – und nicht nur als unser eigenes Hochgefühl. Wir lieben besonders stark, wenn wir uns freiwillig (und nicht getrieben) entscheiden, mit einem Menschen, mit dem wir gerne zusammen sind, dauerhaft zusammen sein zu wollen und Verantwortung für diese Person zu übernehmen. Es mag ruhiger sein, aber nicht umsonst heißt es “stille Wasser sind tief“. Das gilt eben auch für die Liebe – in diesem Fall in einem positiven Sinne.
Kameradschaft kann Leidenschaft integrieren
In ihren psychologischen Strukturanalysen gelangten Victor Karandashev und Stuart Clapp zu einem weiteren, nach meiner Ansicht hoch interessanten Befund:
- Die leidenschaftlich Liebenden zeigten eine sehr dynamische und teilweise gegensätzliche Struktur in den 33 Liebesdimensionen. Je mehr sie sich freundschaftlich für die andere Person interessierten, desto weniger erlebten sie eine magisch-emotionale Verbundenheit mit der anderen Person.
Bei den kameradschaftlich Liebenden zeigte sich demgegenüber eine harmonischere Integration der 33 Liebesdimensionen:
- Kameradschaftliche Dimensionen waren dem leidenschaftlichen Erleben bei diesen Personen nicht entgegengesetzt, sondern konnten mit Leidenschaft einhergehen. Zwar dominierten bei der kameradschaftlichen Liebe die Komponenten der freundschaftlichen Zuwendung, Fürsorge, Verantwortungsübernahme, des Schützen Wollens und der Gemeinsamkeit, aber diese schlossen leidenschaftliche Elemente nicht aus, während bei den rein leidenschaftlich Liebenden Leidenschaft und Kameradschaft stärker im Widerspruch zueinander standen.
Damit ergeben sich – vereinfacht gesagt – zwei verschiedene Wege, wie Beziehungen entstehen können:
- Leidenschaftlicher Beginn: Starke emotionale und körperliche Erregung und gedankliche Fixierung führen zur Entscheidung für die Beziehung.
- Kameradschaftlicher Beginn: Interesse an der anderen Person, aufgebaute Gemeinsamkeit, Verstehen, Fürsorge führen zur Bindungs-Entscheidung.
Beim ersten Weg werden jedenfalls zunächst einige kameradschaftliche Aspekte eher wenig oder keinen Raum haben. Dies gilt auch deshalb, weil für die Kameradschaft die gedankliche Reflexion durchaus wichtig ist, die durch starke Leidenschaft aber eher deaktiviert wird. Bei einem solchen dominant leidenschaftlichen Beginn können Leidenschaft und Kameradschaftlichkeit leichter Gegenpole bilden als eine Einheit.
Beim zweiten Weg können demgegenüber in mehr oder weniger starkem Ausmaß auch leidenschaftliche Komponenten in einer kameradschaftlichen Grundorientierung zum Tragen kommen. Allerdings ist die Leidenschaft nicht dominant, stellt nicht alles andere in den Schatten und steht daher auch in keinem Spannungsverhältnis zur Kameradschaftlichkeit.
Welche Liebe möchten Sie finden?
Wir können es uns meistens nicht direkt aussuchen. Plötzlich wird die Leidenschaft entflammt. Oder mögen jemanden sehr, den wir beginnen, immer mehr in einem ruhigeren Sinn zu lieben.
Zudem ist durch Matching-Systeme die echte leidenschaftliche Liebe schwer prädiktierbar – auch bei den Dating-Apps wird sie meistens nur durch Fotopräsentation illusorisch aktiviert.
Demgegenüber können Matching-Systeme die Basis für eine kameradschaftliche Liebe begründen, indem Menschen zueinander kommen, die besonders gute Voraussetzungen mitbringen, um sich wechselseitig füreinander zu interessieren und Gemeinsamkeit aufzubauen.
Matching-Systeme können aber ebenfalls Teilaspekte der Leidenschaft matchen; nämlich die Stärke und Ausrichtung des sexuellen Begehrens und wie Sexualität im Rahmen von Beziehungen gelebt werden soll.
Im Übrigen kann es selbst bei einem “perfekten Match” nach “kameradschaftlichen Kriterien” geschehen, dass tatsächlich die Leidenschaft alles andere überschattet.
In gewisser Weise kann dies sogar für die Betreffenden ein doppelter Gewinn sein:
- Sie können die Euphorie und die Hochgefühle genießen und haben doch im Hintergrund die Sicherheit, dass auch darüber hinausgehende Passungen vorhanden sind. Später werden diese kameradschaftlichen Aspekte vermutlich stärker hervortreten und die Liebe wird so neben, zusätzlich oder manchmal auch anstatt der Leidenschaft einen kameradschaftlichen Charakter erhalten.
Offenheit hilft
Die beste Empfehlung ist daher, sich die leidenschaftliche Liebe zu gönnen, wenn sie eintritt, aber den Blick schon früh auch auf die Herausbildung der kameradschaftlichen Aspekte von Gemeinsamkeit und Fürsorge zu richten.
Gleichzeitig sollten Sie die überbordende Leidenschaft nicht als Startvoraussetzung verlangen. Denn wenn Sie dies tun, besteht die Gefahr, dass Ihnen eine sehr wertvolle Beziehung verloren geht, die eben nicht stark leidenschaftlich, sondern kameradschaftlich begonnen hätte.
Auf Teilaspekte der Leidenschaftlichkeit, wie die Passung des sexuellen Begehrens, können und sollten Sie aber bereits mit dem Beziehungsbeginn achten, wobei manches davon durch offene Gespräche und gemeinsames Experimentieren durchaus auch im Verlauf beeinflusst werden kann. Wenn das Potenzial vorhanden ist, braucht es sich noch nicht am Anfang voll entfaltet zu haben.
Ein kameradschaftlicher Beginn ist auf jeden Fall grundsätzlich eine gute Basis für eine Liebesbeziehung. Dies gilt umso mehr, als dass es letztlich die Komponenten der Fürsorge, Gemeinsamkeit und der Beziehungsentscheidung sind, die eine Beziehung dauerhaft tragfähig machen.
Vielleicht werden Sie bei einem kameradschaftlichem Beginn niemals in eine drogengleiche Manie geraten wie bei der leidenschaftlichen Liebe, aber sie können auch bei kameradschaftlichem Beginn durchaus Leidenschaft entwickeln und diese genießen.
Letztlich hängt es aber sehr von Ihrer eigenen Person, Ihren Wünschen und Bedürfnissen, sowie Ihrem Modell der Liebe ab, wie sehr für Sie leidenschaftliche Komponenten der Liebe erforderlich, womöglich gar unverzichtbar oder verzichtbar sind.
Nehmen wir das im wesentliche leidenschaftliche Merkmal des sexuellen Begehrens:
- Für die meisten Partnersuchenden ist sexuelles Begehren erforderlich und für manche ist hohes sexuelles Begehren sogar sehr wichtig oder essentiell. Hieraus können sich also begründete Einschluss- und Ausschlusskriterien für die Partnersuche ergeben, aber auch Anforderungen an die Beziehungsarbeit.
Typischerweise ist im Übrigen auch die kameradschaftliche Liebe sexuell, wenn sie romantisch ist, wobei es aber auch asexuelle Konstellationen gibt.
Balance in verschiedenen Beziehungsmodellen
Manche Menschen können zudem gänzlich andere Beziehungskonstellationen für sich erschließen, sodass eine zunächst nicht vorhandene Balance im sexuellen Begehren nun doch aus der Gesamtkonstellationen heraus entsteht:
- Mit der einen Person erleben sie vor allem Kameradschaft, mit der anderen Leidenschaft. Hieraus kann eine glückliche polyamore Beziehung werden – allerdings nur dann, wenn dies Liebesmodell auch von allen Beteiligten bejaht wird.
- Oder Sie sind ein Paar (oder wollen eines werden), aber irgendwie kommt die sexuelle Leidenschaft nicht wirklich zwischen ihnen auf und wird von Ihnen vermisst. Hier kann eine Swinger-Beziehung wahre Wunder wirken, wo Sie zusammen Sex mit Dritten haben, oder auch eine offene Beziehung, wo Sex außerhalb der Beziehung möglich ist. Aber erneut gilt dies nur dann, wenn sich alle Beteiligten hiermit wohl fühlen und sich aufeinander verlassen können.
Swinger-Beziehungen, offene Beziehungen und polyamore Beziehungen haben das Potential, partnerschaftliche Beziehungen zwischen solchen Personen glücklich zu machen, die allein in einer Zweierbeziehung nicht miteinander glücklich geworden wären.
Wünscht sich eine der beteiligten Personen aber zutiefst eine monogame Zweierbeziehung, wird kein maximales und für alle geltendes Beziehungsglück in solchen Konstellationen erreichbar sein. Balance bleibt das entscheidende Kriterium.
Leidenschaft erhalten, reaktivieren und erzeugen
Wichtige Hilfestellung gibt uns hierfür die Theorie der Selbsterweiterung, zu der kürzlich Arthur Aron und Jennifer M. Tomlinson einen Überblicksartikel veröffentlichten. Die Theorie geht davon aus, dass Liebe darin besteht, dass wir eine andere Person in unser Selbst aufnehmen und somit auch unsere eigenen Horizonte und Perspektiven erweitern.
Eine solche Aufnahme einer anderen Person in das Selbst und die resultierende Erweiterung geht in besonders hohem Ausmaß mit Gefühlen der Leidenschaft einher, wenn aktivierende Aspekte integriert werden. Die Psychologinnen Amy Muise und Kolleginnen konnten in Studien belegen, dass gemeinsame neue Aktivitäten, gerne abenteuerliche Aktivitäten, die Leidenschaft – auch die sexuelle Leidenschaft – zwischen Paaren immer wieder aufs Neue entfachen können. Ein vorheriger Blog-Artikel von mir gibt weitere Tipps auf der Basis psychologischer Untersuchungen auf, wie wir in Beziehungen die sexuelle Leidenschaft erhalten können.
Kein “entweder oder”, sondern “sowohl als auch”
Es geht also nicht um ein striktes entweder oder, sondern eher um ein sowohl als auch, wobei sich Intensität und zeitlicher Verlauf der leidenschaftlichen und kameradschaftlichen Komponenten in Beziehungen unterscheiden können.
Dabei sind viele verschiedene Konstellationen und Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, sodass eine große Diversität möglicher Liebesbeziehungen entstehen kann. Diese können alle stabil und glücklich sein, wenn die Bedürfnisse aller Beteiligten zur Geltung kommen und niemand zurückstecken muss.
Wegen der Hochgefühle sind nahezu alle für einen leidenschaftlichen Beginn von Beziehungen bereit. Oft verkannt werden aber die Chancen eines kameradschaftlichen Beginns, obgleich dieser zu einer tiefen Liebe führen kann und mit einem geringeren Risiko eines Absturzes in seelischen Schmerz verbunden ist.
Sie tun gut daran, sich diesen Weg nicht durch vorzeitigen Abbruch (“es fehlt die Leidenschaft“) zu verbauen, zumal Leidenschaft auch später entstehen kann, ohne dass sie eine Beziehung komplett zu dominieren braucht. Andererseits ist es ebenfalls wichtig und ratsam, auf eine Balance des sexuellen Begehrens zu achten, da ansonsten so manche rein kameradschaftliche Beziehung doch unerfüllt bleiben kann.
Zusammenfassung
In aller Kürze
In aller Kürze zusammengefasst, gibt es eine leidenschaftlich-dranghafte und eine kameradschaftlich-ruhigere Form der Liebe. Leidenschaftliche Liebe versetzt uns in den siebten Himmel, kann uns aber auch zum Absturz in tiefste Verzweiflung, Leere, Angst und Hass führen. Kameradschaftliche Liebe hält durch Fürsorge, Verstehen, gemeinsame Ziele und eine feste Bindungsentscheidung Partnerschaften aufrecht.
Leidenschaft hängt mit sexuellem Begehren zusammen, beide sind aber nicht identisch. So kann es auch eine rein emotionale Leidenschaft geben und zudem spielt sexuelles Begehren auch in kameradschaftlichen Beziehungen eine Rolle.
In Wirklichkeit können das Ausmaß an Leidenschaft und Kameradschaft in Beziehungen schwanken, wobei im Durchschnitt mit der Beziehungsdauer und dem Alter der Beteiligten Beziehungen immer stärker einen kameradschaftlichen Charakter annehmen. Durch neue, abentuerliche Aktivitäten kann die Leidenschaft aber selbst in längeren Beziehungen immer wieder aktiviert werden.
Im Teenageralter beginnen fast alle Beziehungen leidenschaftlich, aber halten fast nie. Trotzdem können wir leidenschaftliche Beziehungen genießen, sollten aber frühzeitig darauf achten, die kameradschaftlichen Komponenten der Fürsorge, des Verstehens und der gemeinsamen Bindung ebenfalls zu stärken.
Gerade im mittleren und höheren Lebensalter entstehen immer mehr Beziehungen kameradschaftlich, was nicht bedeutet, dass sie keinerlei Leidenschaft beinhalten würden. Die Leidenschaft hat lediglich keinen dominanten Charakter. Solche Beziehungen können glücklich und tragfähig werden und es gilt daher der Rat, offen zu sein für einen kameradschaftlichen Beziehungsbeginn.
Es gibt besondere Beziehungsmodelle, die dazu geeignet sein können, einen Mangel an Leidenschaft oder Kameradschaftlchkeit zu kompensieren. So schildern Menschen in polyamoren Beziehungen oft, mit der einen Person mehr Leidenschaft und mit der anderen mehr Kameradschaftlichkeit zu erleben. Swinger-Beziehungen und offene Beziehungen sind dazu geeignet, die sexuelle Leidenschaft zu erhalten. Allerdings gelten diese Möglichkeit nur dann, wenn alle Beteiligten sich mit solchen konsensuell nicht-monogamen Beziehungsmodellen auch wirklich wohlfühlen.
Die Vermittlung bei Gleichklang ist mit der Orientierung auf “Passung der Werte und Lebensentwürfe” insbesondere auf kameradschaftliche Aspekte ausgerichtet, fördert durch die Passung der erotischen Wünsche aber auch mindestens im sexuellen Bereich die Leidenschaft. Natürlich kann auch bei guter “Passung der Werte und Lebensentwürfe” eine starke Leidenschaft auftreten. Für die Betreffenden ist dies sogar ein doppelter Gewinn, weil so selbst dann, wenn die rosarote Brille eines Tages abgesetzt wird, noch eine gute Beziehungsbasis verbleibt.
Sehr viel mehr dazu, was die Liebe ist, und welche Formen von Liebe wir erleben, aufbauen und gestalten können, erfahren Sie hier im zweiten Teil meiner Video-Serie zur Psychologie der Online-Partnersuche. Auch der dritte Teil in ca. zwei bis drei Wochen wird dies Thema fortsetzen.
Bei Gleichklang haben Sie die Möglichkeit, eine Liebe zu finden, die eine gute Basis für Kameradschaftlichkeit darstellt, aber auch Leidenschaft zulässt.